Die Angst der Erfurter vor den elf Metern

Der Thüringer Landtag befasste sich auf Initiative der AfD mit dem in der Landeshauptstadt geplanten Moscheebau

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 3 Min.
Dass sich tatsächlich ein Landesparlament mit dem geplanten Bau einer Moschee befasst, war bisher nicht üblich. Das Beispiel Erfurts zeigt nun, wie die AfD solche Projekte künftig emotionalisieren will.

Seit Tagen schon wird diese eine Debatte ähnlich intensiv geführt wie diese andere Debatte damals. Damals, das war Ende 2014, als es in Thüringen um die Frage ging: Wird die erste rot-rot-grüne Landesregierung in Deutschland das Ende des christlichen Abendlandes mit sich bringen? Heute scheinen sich ähnliche Befürchtungen um den Plan einer kleinen muslimischen Gemeinde zu ranken, in Erfurt eine Moschee neu zu bauen.

Die kleine muslimische Gemeinde, das ist die Ahmadiyya-Muslim-Jaamat, die nach eigenen Angaben im gesamten Freistaat etwa 70 und in Deutschland etwa 30 000 Mitglieder hat. Unmittelbar an einer Bundesstraße, direkt neben einer Feuerwache im Erfurter Stadtteil Marbach wollen die Muslime ihr Gotteshaus bauen - etwa so groß wie ein Zweifamilienhaus, mit Kuppel und einem lediglich elf Meter hohen Zierminarett, das zumindest nach dem vorgestellten Modell optisch recht neutral daherkommt; der Marbacher Kirchturm ist zum Vergleich 23 Meter hoch. Kosten soll das muslimische Gotteshaus etwa 450 000 Euro, das Projekt soll über Spenden der Gemeindemitglieder finanziert werden.

So heftig wird die Debatte um das religiöse Bauvorhaben in der Landeshauptstadt derzeit geführt, dass man meinen könnte, das geplante Minarett solle hundert Meter hoch wachsen und direkt in der historischen Altstadt rund um den Dom entstehen und nicht im Abseits zwischen Dekra und Technischem Hilfswerk. Dennoch: Zuerst über die Medien, dann in Pressekonferenzen und am Mittwoch nun auf Initiative der AfD sogar während einer Aktuellen Stunde im Landtag prallen in Sachen Moscheeneubau ganz grundsätzliche Vorstellungen aufeinander.

Auf der einen Seite stehen dabei neben Vertretern der christlichen Kirchen und der Jüdischen Landesgemeinde auch Politiker der Regierungsparteien LINKE, SPD und Grüne, die das Vorhaben im Sinne der Religionsfreiheit ausdrücklich begrüßen. Die Grüne Astrid Rothe-Beinlich sagt zum Beispiel, das Vorhaben der Muslime sei »Ausdruck gelebter Religionsfreiheit und steht für die Anerkennung von Lebensrealitäten«. Der Bauplan sei ein Zeichen für ein weltoffenes Thüringen, denkt auch der Chef der Erfurter Staatskanzlei, Benjamin-Immanuel Hoff. Und ja, es gibt durchaus auch »einfache« Thüringer, die das so oder ähnlich sehen.

Auf der anderen Seite steht vor allem die AfD, die - dem anti-muslimischen Duktus ihrer jüngsten programmatischen Beschlüsse folgend - bereits ein ganzes Maßnahmenpaket angekündigt hat, um das Vorhaben zu stoppen. Unter anderem wollen die Rechtspopulisten den geplanten Neubau auf ihren regelmäßigen Mittwochsdemonstrationen ansprechen und Bürgerproteste gegen die Pläne unterstützen. Letztere gibt es bereits - und aus der Haltung der Landtagsparteien jenseits der AFD darf nicht gefolgert werden, dass dieser Widerstand randständig und isoliert sei. Die parteilose Ortsteilbürgermeisterin von Marbach sagte schon ganz am Anfang dieser Debatte ganz offen: Ja, es gebe Marbacher, die den Bau der Moschee befürworteten. Anderen sei die Sache schlicht ganz egal. Aber: »Gefühlt ist die Mehrheit der Marbacher dagegen.«

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass sich die Ahmadiyya-Muslime so offen und verfassungstreu präsentieren, wie sie nur können. In den vergangenen Tagen haben sie sich bereits den Fragen von Journalisten zu dem Projekt ebenso gestellt wie den Fragen einzelner Marbacher, die sich in eine Pressekonferenz der Gemeinde gesetzt hatten. Wie ihr Projekt ausgehen wird, ist trotzdem völlig offen. Technisch gesehen muss nun zunächst die Stadtverwaltung über eine Bauvoranfrage der Gemeinde entscheiden - aber die Vorgänge in Erfurt zeigen, wie die AfD in Zukunft versuchen wird, solche Projekte auf eine ideologische Grundsatzebene zu ziehen.

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