»Das darf uns nicht egal sein«

Die Sorgen einer Staatssekretärin, eines AfD-Krakeelers und der Innenexperten der CDU

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 4 Min.
Die CDU-Innenexperten wollen in Sicherheit investieren, eine Staatssekretärin in stärkere Beobachtung der muslimischen Szene und die AfD in Lager für Flüchtlinge in spärlich besiedelter Heide.

Die Grenzen sind fließend: Wer sich vor einer Islamisierung des Abendlandes fürchtet, wer vor muslimisch genährter Terrorgefahr Angst hat oder diese aus Gründen seiner professionellen Berufung nur sicherheitshalber ausschließen möchte - es bildet sich eine Phalanx der Ablehnung und Verdächtigung. Man kann noch fragen, ob Emily Haber von Björn Höcke beeinflusst ist oder ob beide sich nur aus dem gleichen Ressentiment bedienen. Beide klingen ähnlich, und eine sachliche, empirische Begründung bleiben beide schuldig. Emily Haber ist Staatssekretärin im Bundesinnenministerium und hat in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« beklagt, dass es keine ausreichenden Kenntnisse über das Geschehen in Moscheen gebe. Muslimische Gemeinden seien ein Bezugspunkt für die jungen, überwiegend männlichen Flüchtlinge. Ob von diesen eine besondere Gefahr ausgehe, sagt sie nicht, aber sie legt es nahe. »Wir müssen also wissen, was dort gepredigt wird. Das darf uns nicht egal sein«, meint Emily Haber. Und dass es »schnell gehen« müsse.

Die Politikerin spricht sich für stärkere Beobachtung der muslimischen Diaspora aus. Die Sorge von Björn Höcke, Landes- und Fraktionschef der AfD in Thüringen, ist noch größer als die von Emily Haber, jedenfalls wird sie lauter vorgetragen. Am Mittwoch sprach Höcke vor 700 Anhängern in Erfurt darüber. Über die Sorge, dass »vielleicht in einer nicht so fernen Zukunft auf unserem Dom, der gerade so wunderbar seine Glocken erklingen lässt, dass auf unserem Dom der Halbmond zu sehen sein wird. Und ich frage euch: Wollt ihr das?«

Der Krieg, den Höcke regelmäßig gegen den Islam ausruft - er ist noch nicht total. Nicht jeder Muslim sei ein Terrorist, so Höcke. Doch dann das unvermeidliche »Aber«. Die muslimische Ahmadiyya-Gemeinde, die in Erfurt eine Moschee errichten will, sei ein »Wolf im Schafspelz«. Andreas Wild, am Mittwoch aus Berlin angereister AfD-Kamerad, komplettierte Höckes Hetze mit seiner Vorstellung eines vernünftigen Unterbringungsortes für muslimische Flüchtlinge: Man könne sie »in spärlich besiedelte Landstriche Deutschlands bringen und sie dort geschützt unterbringen. Dafür genügen ein paar Quadratkilometer Heide. Wir brauchen dafür - für die vorübergehenden Flüchtlingslager - wir brauchen dafür Bauholz, Hämmer, Sägen und Nägel. Und natürlich darf da nicht jeder raus oder rein, wie es ihm gefällt.« Der Beifall der 700 Fans am Mittwoch in Erfurt klang hysterisch und drohend.

Bekanntlich stammt der Zuspruch für die AfD jedoch nicht nur von Menschen, die »Genickschuss« empfehlen wie einer der Gröler. Gleichwohl ist hier der zweite Anknüpfungspunkt zwischen Haber und Höcke. Beim Versuch, Wähler auf ihre Seite zu ziehen, kommen CSU und CDU den grundsätzlichen politischen Wertungen der AfD gefährlich nahe. Für den Normalverbraucher wird es damit umso unübersichtlicher. Habers Forderung nach Beobachtung der Imame, die aus anderen Ländern nach Deutschland kommen, um muslimische Gemeinden zu betreuen, könnten sogar linke Atheisten beipflichten. Und auch die Pläne der CDU-Innenexperten, die sich zwei Tage lang in Schwerin Gedanken über die Sicherheit in Deutschland und die Belastungen für die Polizei machten, klingen nicht abwegig. 15 000 neue Polizeistellen fordern sie.

Doch die Expertenbegründung für besseren Schutz von Polizisten durch eine bessere technische Ausstattung führt im gleichen Atemzug Proteste gegen die Asylpolitik des Staates und Angriffe auf Asylheime an. Wer die Unterschiede zwischen den Akteuren verwischt, dem können auch Ursache und Wirkung egal sein. In der FAZ wies Haber darauf hin, dass unter den 8650 Salafisten in Deutschland eine »durchaus große Gruppe« Gewalt ablehne. Wenn man nicht zwischen dieser Gruppe und den Befürwortern von Gewalt unterscheide, könne das die »Solidarisierung innerhalb salafistischer Strukturen« befördern. Also nicht der unbescholtenen Muslime wegen sollte man nicht alle über einen Kamm scheren, sondern um die Gefahr nicht zu vergrößern. Das könnte glatt von Höcke sein.

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