Aufruhr gegen das Establishment

Mit Norbert Hofer würde ein stramm rechter Politiker in die Wiener Hofburg einziehen

  • Hannes Hofbauer, Wien
  • Lesedauer: 3 Min.
Einen Präsidenten Hofer verhindern, das war die Motivation vieler Unterstützer von Alexander Van der Bellen in Österreich. Nach ersten Hochrechnungen am Sonntag könnte es sehr knapp werden.

Hinter dem aus einer niederländisch-russischen Adelsfamilie stammenden Alexander Van der Bellen stand die gesamte politische Elite des Landes. Der ehemalige grüne Parteichef sammelte auf seiner Unterstützerliste nicht nur hochrangige Sozialdemokraten, sondern auch drei abgedankte Parteichefs der konservativen ÖVP. Dazu traf man auch in der Künstlerszene des Landes kaum jemanden, der sich nicht für den 72-Jährigen ins Zeug geworfen hätte. Nur wenige taten dies aus Überzeugung, verursacht doch der neoliberale und bellizistische Kurs des Ex-Grünen »viel Bauchweh«, wie selbst aktive Unterstützer zugeben. Ihre Motivation lautete: »Verhindert Hofer«.

Norbert Hofer stammt aus typisch kleinbürgerlichen Verhältnissen. Sein Vater war Techniker und ÖVP-Gemeinderat. Geboren 1971 im steirischen Vorau, besuchte er nach seiner Matura (Abitur) die Höhere Technische Bildungsanstalt im burgenländischen Eisenstadt und heuerte als gelernter Flugtechniker bei der privaten »Lauda Air« an. Ein Ausflug in die Welt der Reichen, für die er zusammen mit einem Kollegen Geschäftsflugzeuge charterte, scheiterte mit dem Konkurs der Firma. Auf der Suche nach einem potenten Investor zur Rettung des Unternehmens tauchte ein exiliranischer Geschäftsmann auf, dem der damals als dritter Nationalratspräsident tätige Hofer im Austausch für einen dreistelligen Millionenbetrag die österreichische Staatsbürgerschaft versprochen haben soll. Dies berichtete die Zeitschrift »News« im April 2015. Aus der Sache wurde nichts und der Geschäftsmann suchte daraufhin um Asyl in Österreich.

Seine politische Laufbahn begann Hofer als 23-Jähriger bei der burgenländischen FPÖ; er leitete die Stadtpartei in Eisenstadt und wurde 1996 Landesparteisekretär. Die von Jörg Haider betriebene Spaltung in Richtung »Bündnis Zukunft Österreich« (BZÖ) machte Hofer nicht mit. Er blieb in der FPÖ - was auf ideologische Festigkeit hindeutet, lockte doch der Wechsel zum BZÖ mit Aussicht auf einen Karrieresprung.

Seine stramm-rechte Haltung kann er auch in der »Pennal conservativen Burschenschaft Marco-Germania zu Pinkafeld« ausleben. Er gehört der jungen schlagenden Verbindung als Ehrenmitglied an. Die Burschenschaft stellt sich auf ihrer Homepage als »Männerbund, aber nicht frauenfeindlich« und »national-freiheitlich, aber nicht menschenverachtend-chauvinistisch« dar.

Hofer sitzt seit 1986 im österreichischen Nationalrat, dessen dritter Präsident er nach wie vor ist. Seiner Nominierung als freiheitlicher Präsidentschaftskandidat ging ein zähes innerparteiliches Ringen voran. Ursprünglich war die langjährige ÖVP-Politikerin Ursula Stenzel vorgesehen, die kurz davor das Lager in Richtung FPÖ gewechselt hatte. Hofer hatte mit dem Argument abgesagt, dass er sich für das Amt des Bundespräsidenten nicht reif genug, weil zu jung fühle. Dass schließlich trotzdem er kandidierte, mag der dünnen Personaldecke bei den Freiheitlichen geschuldet sein.

Kaum ein Rechter vermeint wie er, politische Standhaftigkeit und freundliches, joviales Auftreten so perfekt zu vereinen. In der Sache hart, in der Form zuvorkommend, so beschreibt sich der rhetorisch bestens geschulte und auch in vielen Fragen inhaltlich sattelfeste Mann gerne selber. Im Gegensatz zu Van der Bellen kann Hofer weder in etablierten politischen Kreisen noch in der Kulturszene mit prominenten Unterstützern aufweisen. Und dass der Salzburger Bischof Andreas Laun wenige Tage vor dem entscheidenden Urnengang erklärte, jeden Tag für Hofer zu beten, um Van der Bellen zu verhindern, war kirchenintern umstritten. »Hinter mir steht das Volk«, pflegte Norbert Hofer auf die wiederholten Fragen Van der Bellens zu antworten, wen er denn als Unterstützer vorzuweisen hätte. Das Match rechter Aufruhr gegen das Establishment war am Sonntagabend noch offen.

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