Zahlungsmoral ersetzt keine Politik-Kohärenz
Martin Ling über Deutschland auf dem Humanitären Gipfel
Als Zahlmeister lässt sich Deutschland nicht lumpen: »Wir gehen mit starkem Signal voran: Wir halten unsere Versprechen und haben über siebzig Prozent unserer Zusagen für die Syrienkrise bereits jetzt beauftragt.« Was Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) vor dem Humanitären Gipfel in Istanbul betonte und Kanzlerin Angela Merkel auf dem Gipfel bekräftigte, ist nicht von der Hand zu weisen: Zu oft komme nach den Versprechen kein Geld für die konkreten Projekte, das müsse aufhören, meinte Merkel in Richtung vieler Geberstaaten, die auf diversen Gipfeln große Zusagen machen, ohne große Taten folgen zu lassen, denn Selbstverpflichtungen sind de jure nie bindend.
Viel weniger überzeugend als in Sachen Zahlungsmoral ist die deutsche Bundesregierung in ihrer Politikausrichtung insgesamt: »Die Menschen in den Krisengebieten brauchen Schutz, Nahrung, ein Dach über dem Kopf und eine Zukunftsperspektive. Noch wichtiger ist, dass wir mit gezielter Prävention dafür sorgen, dass humanitäre Katastrophen gar nicht erst entstehen«, spricht Müller und schweigt sowohl über deutsche Dumpingexporte als auch deutsche Waffenexporte, die hierzulande Einkommen und Beschäftigung schaffen und im Süden Märkte und Existenzen zerstören.
Deutschland ist ein Meister der Realpolitik zulasten Dritter: So löblich die von Bundeskanzlerin Angela Merkel ausgerufene Willkommenskultur war, inzwischen ist das von ihr maßgeblich ausgehandelte EU-Türkei-Abkommen die herrschende Realität: Und mit diesem Deal wird das Recht aller Menschen bedroht, in der EU auch nur Asyl zu beantragen. Für einen Erfolg beim Gipfel für humanitäre Hilfe mit Austragungsort Istanbul ein denkbar schlechtes Vorzeichen.
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