Aufsicht für Kinderheime überfordert

Missstände bringen Kieler Sozialministerin in Not

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 3 Min.

Entwürdigende Erziehungsmethoden in Kinder- und Jugendheimen schrecken die Öffentlichkeit in Schleswig-Holstein auf. Inzwischen ist klar: Die Einrichtung »Friesenhof«, die im Vorjahr für negative Schlagzeilen sorgte und inzwischen geschlossen ist, war kein Einzelfall, sondern auch Missstände andernorts werden bekannt. Das SPD-geführte Sozialministerium unter Kristin Alheit ist in Erklärungsnot.

Was passiert eigentlich in den Heimeinrichtungen für Kinder und Jugendliche? Beschwerden und Berichte von Betroffenen, Angehörigen und Mitarbeitern über Verfehlungen rücken die wichtige und überwiegend aufopferungsvoll geleistete Arbeit dort in ein schlechtes Licht. Warum? Weil finanzielle Ressourcen und Pädagogik oft nicht zusammenpassen, weil die fachliche Kompetenz zu wünschen übrig lässt und weil behördliche Kontrollen versagen oder gar nicht stattfinden. Mit einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) in Kiel bekommt das vernachlässigte Thema eine Bühne, Defizite und Schwächen werden öffentlich.

Der seit Ende September 2015 aktive PUA will die Geschehnisse im »Friesenhof« aufarbeiten, wo mit sogenannten Bootcamp-Methoden Strafaktionen zu einem wesentlichen Inhalt des pädagogischen Handelns gemacht wurden. Die Piratenfraktion im Kieler Landtag und die LINKE in Hamburg hatten dies im Vorjahr aufgedeckt. Inzwischen sind sie auf andere Träger und Einrichtungen gestoßen, die auch keine »weiße Weste« haben. Dazu zählen Hinweisen zufolge offenbar ein Heim im Kreis Dithmarschen und die »Rimmelsberg Kinder- und Jugendhilfe« (Kreis Schleswig-Flensburg). Letztere hält acht Häuser vor, darunter einen kostenintensiven Reiterhof. Um kostendeckend arbeiten zu können, ist die Belegung von entscheidender Bedeutung. Laut »Spiegel« laufen Prüfungen des Finanzamtes bezüglich Steuerhinterziehung. Auch der Vorwurf des Sozialbetrugs steht im Raum.

Die Betreiber gestanden unterdessen einen nicht unerheblichen finanziellen Engpass ein. Mit einer Pressekonferenz vor eineinhalb Wochen wandten sie sich unter dem Credo »Transparenz statt Verschwiegenheit« an die Öffentlichkeit. Zugegeben wurden - inzwischen abgeschaffte - Strafmaßnahmen und eine Überforderung der pädagogischen Leitung. Sie wurde inzwischen ausgewechselt. Derzeit habe man 72 Mitarbeiter, seit Mitte 2015 sei sieben gekündigt worden. Ein Betriebsrat werde da auch schon mal zum Hemmnis, heißt es von der Rimmelsberg-Leitung.

In nicht unerheblichem Umfang, so der bisherige Eindruck im PUA, wurde Personal beschäftigt, das nicht über fachgerechte Kenntnisse für das sensible Arbeitsumfeld verfügt. Fehlt es aber an Fachkräften, kann das pädagogische Konzept nicht umgesetzt werden, auf dessen Grundlage ein Träger oder Betreiber eine Betriebserlaubnis erhalten hatte.

Das wiederum sollte eigentlich die Heimaufsicht auf den Plan rufen, doch auch dort liegt einiges im Argen. Das Hauptproblem: Der Arbeitsaufwand, rund 1800 Einrichtungen und Wohngruppen permanent - und nicht nur nach Beschwerden oder stichprobenartig - im Auge zu behalten, ist für die zwölf Mitarbeiter nicht zu bewältigen. Das Sozialministerium wünscht sich indes mehr Kompetenz durch bundesgesetzliche Änderungen. Eine Betriebserlaubnis bleibe derzeit nach Erteilung nur angreifbar, wenn der Betreiber nicht willens oder in der Lage sei, Missstände abzustellen, teilt das Ministerium mit.

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