Robust und krisenfest

Bundesagentur sieht Arbeitsmarkt für Flüchtlinge und Brexit gerüstet

  • Lesedauer: 3 Min.
Die offiziellen Arbeitslosenzahlen sanken auch im Juni wieder. Allerdings bildet die Statistik nicht die ganze Realität ab.

München. Laut den offiziellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) ist die Arbeitslosenquote in der Bundesrepublik zum ersten Mal seit der Wiedervereinigung knapp unter die Sechs-Prozent-Marke auf 5,9 Prozent gefallen. Im Juni suchten laut den BA-Zahlen noch 2,614 Millionen Menschen einen Job. Das waren 50 000 weniger als im Mai und 97 000 weniger als im Juni 2015.

Weise verwies darauf, dass es im Jahr 1991 in absoluten Zahlen zwar weniger Erwerbslose gegeben habe, damals sei aber »etwas unsauber« gemessen worden. Mit 5,4 Prozent in Westdeutschland und 8,2 Prozent in Ostdeutschland erreichte die aktuelle Arbeitslosenquote jeweils ein Rekordtief. In Westdeutschland hatte es zuletzt 1981 solch eine niedrige Arbeitslosenquote gegeben.

Die Linkspartei kritisiert allerdings, dass sich die Bundesregierung die Zahlen schönrede: Kranke Arbeitslose, Ein-Euro-Jobber oder Teilnehmer an Weiterbildungen werden nicht als arbeitslos gezählt. Über-58-Jährige erscheinen meist ebenfalls nicht mehr in der offiziellen Statistik. Auch wer von einem privaten Arbeitsvermittler betreut wird, zählt nicht mehr als Arbeitslos. Zusammengerechnet waren demnach im Juni 2016 mehr als 3,5 Millionen Menschen arbeitslos. Hinzu kommt die sogenannte Stille Reserve von rund 88 000 Menschen, die sich aus verschiedenen Gründen nicht als arbeitslos registrieren lassen.

Sabine Zimmermann, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, kritisierte auch die weiter auf hohem Niveau liegenden Langzeiterwerbslosenzahlen: »Langzeiterwerbslose werden einfach abgeschrieben und nur noch verwaltet.« Da es in vielen Regionen nicht genug Arbeitsplätze gebe, sei ein öffentlich geförderter Beschäftigungssektor nötig, »um Perspektiven zu schaffen und wichtige gesellschaftliche Aufgaben anzugehen, die schon viel zu lange brachliegen.«.

Der Bund sieht allerdings fast nur Grund zur Freude: Auch bei der Beschäftigung ging demnach die positive Entwicklung weiter. Nach den Angaben des Statistischen Bundesamtes erhöhte sich die Zahl der Erwerbstätigen im Mai um 45 000 auf 43,56 Millionen. Gegenüber dem Vorjahres-Mai bedeutet dies ein Plus von 559 000. Nach BA-Berechnungen stieg die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im März auf 31,33 Millionen, gegenüber dem Vorjahres-März ein Plus von 681 000.

Laut Weise ist der Arbeitsmarkt so robust, dass er auch den starken Zuzug von Flüchtlingen auffängt. Zwar steige die Zahl der arbeitslos gemeldeten Flüchtlinge, auf der anderen Seite gebe es aber mehr Jobs. Deshalb rechne die BA für 2016 weiter mit einer durchschnittlichen Arbeitslosenzahl von unter 2,8 Millionen. Dies wäre weniger als der Jahresdurchschnitt 2015.

Im Juni waren 300 000 Menschen, die durch die aktuelle Zuzugsbewegung nach Deutschland gekommen sind, arbeitslos gemeldet. Gegenüber dem Vorjahr sei dies eine Verdoppelung, so Weise. Derzeit gebe es einen Anstieg von 10 000 bis 15 000 arbeitslosen Flüchtlingen pro Monat.

Mehr Sorgen bereitet Weise der mögliche Brexit. Er erwarte zumindest langfristig Auswirkungen. Zwar könne ein einzelnes Land die Wirtschaft insgesamt nicht so viel beeindrucken. »Der schwierigere Teil ist die Psychologie.« Diese könne bei den Finanzmärkten eine Rolle spielen.

Weise sagte, bei einem Treffen der Chefs der Arbeitsagenturen der EU sei der Brexit Thema gewesen. Es gebe die Erwartung von Veränderungen der Migrationsströme. Menschen, die sehr qualifiziert seien - etwa aus Polen - dürften sich nun fragen, ob sie in Großbritannien für sich und ihre Familie eine Zukunft sehen. »Das wird sich auswirken.« nd/Agenturen

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal