Reker weist Verantwortung für Kölner Silvesternacht zurück

Oberbürgermeisterin spricht vor dem Untersuchungsausschuss über die Gewalttaten am Hauptbahnhof

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 3 Min.
Kölns Oberbürgermeisterin Reker fühlte sich von NRW-Innenminister Jäger allein gelassen – während und nach der Kölner Silvesternacht. Dieser Abend sei mit Schuld an rechter Gewalt, ist sich der Verfassungsschutz sicher.

Auch sieben Monate nach den massenhaften gemeinschaftlich begangenen Übergriffen und der sexualisierten Gewalt der Kölner Silvesternacht ist das letzte Wort nicht gesprochen, der letzte Vorwurf nicht erhoben, geht das Schwarze-Peter-Spiel weiter. Das wurde am Montag auf der 27. Sitzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses »Silvesternacht« deutlich, als die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker vernommen wurde.

Die Zeugin, eine Parteilose, die im Wahlkampf von Grünen und der CDU unterstützt wurde, schoss scharf gegen die rot-grüne Landesregierung Nordrhein-Westfalens: Es sei »viel zu wenig Polizeipräsenz da« gewesen und die Polizei habe »die Situation einfach nicht in den Griff bekommen«. Auch beklagte sich die 59-Jährige, weil NRW-Innenminister Ralf Jäger sich nach den Taten nicht einmal telefonisch bei ihr gemeldet habe, obwohl die Übergriffe »so ein brisanter Vorfall für Köln« gewesen seien.

Der Untersuchungsausschuss arbeitet die Verantwortung diverser Behörden für das Geschehen der Silvesternacht auf, nach der sukzessive über 450 Strafanzeigen allein wegen Sexualdelikten erstattet wurden. Inwieweit Ordnungshüter von Stadt, Land und Bund an Silvester versagten, ist umstritten zwischen Vertretern von Bund, Land und Stadt. Reker wurde kritisiert, weil sie nach den Silvesterübergriffen Frauen geraten hatte, im Karneval eine Armlänge Abstand zu Männern zu halten.

Derweil gibt es auch unter deutschen Rassisten einen »neuen Tätertyp«, wie NRW-Innenminister Ralf Jäger am Montag bei der Vorstellung des Landes-Verfassungsschutzberichtes 2015 hervorhob. Dieser zeichne sich durch eine »Turbo-Radikalisierung« aus. Die »Schwelle von der Ideologie zum Anschlag« überspringe der typische neue Täter »ohne Zwischenschritte«, sagte der Sozialdemokrat Jäger.

Allein zwischen Januar und Anfang Juni gab es laut Jäger in Nordrhein-Westfalen 114 politisch motivierte Taten gegen Flüchtlingsunterkünfte, darunter 22 Gewalttaten. Im gesamten Jahr 2015 waren 28 Gewalttaten im selben Kontext verzeichnet worden – ihre Zahl hat sich also nach »Köln« von gut zwei auf mehr als vier pro Monat verdoppelt. Jäger sprach am Montag von einer »Zerreißprobe« für die Demokratie.

Die rechte Szene habe auch die Kölner Silvesterübergriffe »sogleich« propagandistisch aufgegriffen, heißt es in dem am Montagmorgen vorgestellten Verfassungsschutzbericht, der sowohl die Neonazi-Partei »Die Rechte« als auch die Pegida-Bewegung zitiert. Dabei war von »Krieg« und »aufräumen« die Rede. Zwar seien rechtsradikale Parteien aus taktischen Gründen bemüht, mit ihrer Hetze unterhalb der Grenze der Strafbarkeit zu bleiben, heißt es in dem Behördenpapier.

Allerdings sei die rechte Propaganda gegen Flüchtlinge ein Nährboden für rechte Straftaten, die gegen Flüchtlinge und deren Unterkünfte begangen werden. Denn die Kampagnen bestärkten »die Anhänger und Sympathisanten in ihrer Ablehnung und Hass auf die Flüchtlinge«.

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