Haftstrafe im Fall Luke Holland gefordert

Staatsanwaltschaft sieht Heimtücke als Mordmotiv, Nebenklage betont rassistische Beweggründe von Rolf Z.

  • Peter Kirschey
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Mord an Luke Holland am 20. September 2015 in Neukölln steht kurz vor der juristischen Ahndung. Am Dienstag hielten Staatsanwaltschaft, Nebenklage und Verteidigung ihre Plädoyers.

Rolf Z., der mutmaßliche Mörder des Briten Luke Holland, sitzt wie an den Verhandlungstagen zuvor hinter Panzerglas und wirkt unbeteiligt. Im Gerichtssaal werden unterdessen alle Einzelheiten des Verbrechens an Luke Holland dargelegt. Z., ein hagerer Typ mit silbergrauer Mähne, macht keinen verwirrten Eindruck. Seine blassen Augen blicken vielmehr ins Leere, als die Anträge verlesen werden, die über sein Leben bestimmen. Aussagen will er bis zuletzt nicht.

Am kommenden Montag will das Gericht sein Urteil fällen. Die Ansichten darüber, was an jenem Morgen im September vergangenen Jahres vor einer Bar in Neukölln geschah und wie das Geschehen zu bewerten ist, gehen für Staatsanwaltschaft, Nebenklage und Verteidigung auseinander. Für die Staatsanwaltschaft war es ein »Heimtücke-Mord«, das Opfer sei arg- und wehrlos gewesen. Nach ihrer Überzeugung spielte sich das Geschehen so ab: Der 31-jährige Brite, der kurz zuvor von München nach Berlin umgezogen war, um hier als Anwalt zu arbeiten, war in jener Nacht mit Freunden unterwegs. Als er kurz vor 6 Uhr des 20. Septembers aus der Bar auf die Straße ging, um einem Freund in London per Telefon zum Geburtstag zu gratulieren, fiel ein Schuss. Luke Holland sackte zu Boden, von der Ladung aus einer Schrotflinte tödlich in den Bauch getroffen. Barbesucher, die zu Hilfe eilten, konnten nichts mehr für ihn tun. Zeugen bemerkten einen merkwürdig aussehenden Mann mit schwarzem Mantel und einer Waffe, der vom Tatort flüchtete. Es war Rolf Z., davon ist die Staatsanwaltschaft überzeugt.

Z. habe sich zuvor lange Zeit in der Bar aufgehalten, kräftig getrunken, war dann nach Hause gegangen, habe sich umgezogen und bewaffnet, um erneut vor der Bar aufzutauchen, sagte die Staatsanwaltschaft. Für das, was vor der Tür geschah, gibt es keine Augenzeugen. Luke Holland wurde von vorn aus kurzer Entfernung getroffen, Spuren einer Auseinandersetzung gab es nicht. Nach der Tat ging Rolf Z. laut Staatsanwaltschaft in seine Wohnung, nahm die Flinte auseinander und verstaute sie zusammen mit Patronengurt und Mantel in Tüten, um sie in der Wohnung seiner Halbschwester zu deponieren. Anschließend fuhr er nach Oranienburg zu den Ritterfestspielen. Bei seiner Rückkehr am Abend wurde er festgenommen, in seiner Wohnung befanden sich weitere Waffen und Nazi-Devotionalien. Tatwaffe, Mantel und Munition wurden bei der Schwester sichergestellt. Das Motiv kann die Staatsanwaltschaft nur vermuten: »Da der Angeklagte geschwiegen hat, sind wir auf Indizien angewiesen«, sagte der Ankläger.

Für Mord ist in der Regel eine lebenslange Freiheitsstrafe vorgesehen. Da der Angeklagte zur Tatzeit unter erheblichem Alkoholeinfluss stand, sei er nur vermindert schuldfähig. Deshalb forderte die Staatsanwaltschaft eine Strafe von elf Jahren und acht Monaten. Rassistische Motive wollten die Ankläger nicht erkannt haben.

Für die Nebenklage, die die Eltern von Luke Holland vertritt, war es dagegen ein Mord aus rassistischen Motiven. Nicht nur die Nazi-Devotionalien in der Wohnung von Rolf Z. wiesen ihn als Rassisten aus, es sei das fremdenfeindliche Weltbild und die Abneigung gegen Ausländer, die zur Tat geführt hätten, sagte der Anwalt. Die Nebenklage fordert für die Tötung aus niederen Beweggründen eine lebenslange Freiheitsstrafe. Zudem müsse der Möglichkeit nachgegangen werden, dass Rolf Z. auch der Mörder des 2012 in Neukölln erschossenen Burak Bektaş ist. Die Fälle ähneln sich: ein Mord, ohne direkten Zusammenhang zwischen Täter und Opfer. Eine Initiative zur Aufklärung des Mordes an Bektaş hielt am Dienstag mit Bezug auf den Prozesstermin eine Mahnwache ab.

Die Verteidigung von Rolf Z. plädierte dagegen auf Freispruch - weil es keine Beweise gebe. In ihrem Plädoyer verbreitete sie zudem Gerüchte über das Opfer. So äußerte sich der Verteidiger über den »Szenebezirk« Neukölln, in dem Drogen konsumiert werden, obwohl das Opfer nachweislich kein Rauschgift im Körper hatte.

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