Linke und Grüne: Chance für Stopp von Ceta ist da

Wagenknecht: Ohrfeige für EU-Kommission und Erfolg für Widerstand / Trittin: Abkommen weder vorläufig noch endgültig anwenden

  • Lesedauer: 4 Min.

Berlin. Nach dem Kurswechsel der EU-Kommission in Sachen Ceta sehen Linke und Grüne die Chance, das umstrittene EU-Handelsabkommen mit Kanada noch zu stoppen. Die Entscheidung der EU-Kommission, laut der die Parlamente der EU-Staaten nun doch über das Abkommen abstimmen sollen, sei eine schallende Ohrfeige für Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker »und andere Anti-Demokraten in Brüssel und Berlin«, sagte Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht. Nun bestehe »die Chance, dass das Abkommen und die mit ihm verbundene Aushöhlung des Verbraucherschutzes, das Schleifen der Arbeitnehmerrechte und die endgültige Zerstörung der Demokratie zum Vorteil großer Konzerne ganz verhindert wird«, so die Linkenpolitikerin.

Auch prominente Vertreter der Grünen haben ihren Widerstand in Bundestag und Bundesrat gegen das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen angekündigt. »Ceta ist ein schlechtes Abkommen«, sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Jürgen Trittin der »Rheinischen Post«. Ein solches Abkommen solle »weder vorläufig noch endgültig angewendet werden«. Zur Begründung nannte der Ex-Minister »Klageprivilegien für Unternehmen« und eine Schwächung des Vorsorgeprinzip aus Verbrauchersicht als Argumente gegen den Vertrag an.

Auch Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck, der 2017 im Bund als Spitzenkandidat der Grünen antreten will, sieht das Abkommen kritisch. Bei Ceta und dem geplanten Abkommen TTIP zwischen der EU und den USA bestehe die Gefahr, dass erkämpfte Rechte der Bürger im globalen Handel zur Verhandlungsmasse würden, sagte Habeck. Das schwäche das Vertrauen in den Welthandel. »Daher halte ich selbst den Ceta-Vertrag so, wie er ist, nicht für zustimmungsfähig«, sagte Habeck. Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat können die Grünen Beschlüsse der Länderkammer blockieren. Die Grünen im Europaparlament werteten das Einlenken der Kommission als »Erfolg für die Zivilgesellschaft«, die über Jahre Druck ausgeübt habe. »Das Versteckspiel hat ein Ende«, betonte die deutsche Grüne Ska Keller. Die Kommission mache nun das einzig Richtige - sie gebe die Debatte um Ceta frei.

Die EU-Kommission hatte am Dienstag bei einer Sitzung in Straßburg dem Druck der Proteste in vielen Ländern und zuletzt auch der Regierungen vor allem in Berlin und Paris nachgegeben und stuft das Abkommen nun nicht mehr als reine EU-Angelegenheit ein. Damit wären die nationalen Parlamente im Abstimmungsprozess eigentlich außen vor gewesen. Allerdings kann Ceta schon vor der Ratifizierung vorläufig angewandt werden.

Linksfraktionschefin Wagenknecht warnte: »Es wäre für eine Demokratie vollkommen indiskutabel, wenn vor einer Beteiligung der Parlamente Ceta vorläufig in Kraft treten würde.« Das bereits ausgehandelte, aber noch nicht beschlossene Ceta-Abkommen gilt als Blaupause für das ebenfalls geplante und umstrittene Freihandelsabkommen der EU mit den USA (TTIP).

Unionsfraktionschef Volker Kauder von der CDU hat dagegen vehement für das geplante Freihandelsabkommen geworben. »Wir sind dringend in Deutschland und in ganz Europa auf solche Abkommen angewiesen, weil wir Exportnation sind. Wer will, dass es weiterhin ein stabiles, wirtschaftlich gutes Europa gibt, muss solche Abkommen schließen«, sagte Kauder. Wie zuvor Kanzlerin Angela Merkel betonte aber auch er, dass der Bundestag in jedem Fall über das Abkommen entschieden hätte.

Auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) begrüßte die Entscheidung. Es sei »richtig und wichtig, die nationalen Parlamente in den Ratifizierungsprozess einzubinden«, erklärte er in Berlin. Zugleich verteidigte er das geplante Abkommen zwischen der EU und Kanada. Zufrieden äußerte sich auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU). Er nehme »mit Genugtuung zur Kenntnis«, dass es keinen weiteren unnötigen Streit über Handelsabkommen gebe, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Kritisch äußerte sich hingegen die Verbraucherschutzorganisation foodwatch. Ceta könne unmittelbar nach Zustimmung der EU-Staaten und des Europaparlaments vorläufig angewendet werden. Dies bedeute, die Zustimmung der nationalen Parlamente werde nicht abgewartet, erklärte foodwatch-Geschäftsführer Thilo Bode in Berlin. Dieses Vorgehen sei »verfassungsrechtlich fraglich und demokratiepolitisch ein Skandal«. Das Abkommen muss nun zunächst vom Rat der 28 EU-Staaten mehrheitlich gebilligt werden. Anschließend soll es im Oktober bei einem EU-Kanada-Gipfel unterzeichnet werden. Agenturen/nd

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