Konflikt und Paranoia

Regisseur Uwe Eric Laufenberg über den »Parsifal« und den Trubel rund um Bayreuth

  • Lesedauer: 5 Min.

Herr Laufenberg, wie inszeniert man eine Oper ohne Dirigenten?

Es soll ja Dirigenten geben, die Regie führen können. Vielleicht gibt’s auch Regisseure, die dirigieren? Meinen Plattenspieler dirigiere ich zu Hause. (Während Laufenberg noch lacht, kommt der Pressesprecher mit der Nachricht herein, dass Hartmut Haenchen das Dirigat übernimmt.)

Im Ernst: Was ist dran an dem Eklat? Wer ist Schuld, dass Nelsons hingeschmissen hat?

Der Laufenberg ist es jedenfalls nicht. Wir haben uns wahnsinnig gut verstanden. Aber jeder Mensch ist halt auf seine Weise kompliziert. Nelsons kann man vorhalten, dass er den Konflikt nicht geführt hat. Er hat die andere Seite nicht wissen lassen, was ihm auf die Nerven geht. Und den anderen kann man vielleicht vorwerfen, dass sie Einfühlung und Empfindlichkeiten außer Acht gelassen haben. Nun sind alle erstaunt, dass das Porzellan zerschlagen ist. Wie ich es verstanden habe, gibt es aber die Hoffnung, dass es sich bis zum nächsten Jahr wieder kitten lässt.

Jetzt kommt also Hartmut Haenchen. Kennen Sie ihn?

Noch nicht. Aber ich habe ein paar Mal »Parsifal« gehört, als er ihn dirigiert hat. Das fand ich wirklich gut!

Machen Sie die neuen Sicherheitsmaßnahmen hier auf dem Hügel nervös?

Die finde ich nur blöd. Ich denke, dass dieser Spuk nächstes Jahr wieder vorbei ist und man wieder zur Besinnung kommt. Dieses Haus hat seinen Charme, weil es auf dem Grünen Hügel steht, man drum herum gehen kann, es offen ist. Als Kunsthaltung müsste man genau diese Atmosphäre betonen: Offenheit, Austausch, Freundlichkeit, Sommer! Stattdessen wird hier ein Hochsicherheitstrakt installiert, der an die DDR erinnert.

Sind Sie auch schon nicht reingekommen?

Unseren Parsifal Klaus Florian Vogt haben sie ein Mal nicht reingelassen und sogar abgeführt. Selbst Katharina Wagner kam ein Mal nicht rein. Da hab ich zu ihr gesagt: Sie sind doch die Hausherrin und könnten die alle sofort abziehen. Sie meinte, das ginge nicht. Jetzt gibt es zwischen der Stadt und der Festspielleitung eine Diskussion, wer eigentlich dafür verantwortlich ist.

Liegt es vielleicht an einem provozierenden Regiekonzept?

Nein, ich bin auch dafür nicht verantwortlich. Ich habe eine »Entführung aus dem Serail« in Wiesbaden, Köln und Potsdam aufgeführt. Und weil heute beim Stichwort Serail auch Burka oder Chador naheliegen, wird das auch auf der Bühne gezeigt. Da ist niemand auf die Idee gekommen, dass man das bewachen muss. Wir waren damit sogar in Irak - da standen zwar Leute mit Maschinengewehren rum, aber man musste keinen Ausweis zeigen.

Also alles überflüssig und mehr gesellschaftliche Paranoia?

Ja, und zwar eine, die mit der Sache und mit dem, was hier eigentlich stattfindet, nichts zu tun hat.

Kommen wir zum Eigentlichen: Was ist der »Parsifal« für Sie? Eine Art Kunstreligion?

Er ist das Ergebnis von Wagners lebenslanger Auseinandersetzung mit Religion. In dem Moment, als er sich entschied, den »Parsifal« in seinen Mittelaltermythen zu belassen, hat er die Auseinandersetzung mit dem gekreuzigten, gefolterten Gott in den Vordergrund gestellt. Für den steht Amfortas. Und für die Menschlichkeit, das Emphatische, das durch Mitleid Wissende steht Parsifal. Es geht darum, inwieweit Religionen, die im Kern ja für die Empathie und das Miteinander plädieren, Folter, Krieg und Kampf brauchen. Wagner hat nicht die Religion in ihrem Kern angreifen wollen, sondern versucht zu sagen: Wir finden sie eigentlich gut, aber wir müssen sie transformieren und weiterentwickeln.

Muss man gläubig sein, um so etwas zu inszenieren oder als Zuschauer zu verstehen?

Beim »Parsifal« sagen die, die nicht glauben: Was soll der ganze Firlefanz? Und die, die glauben, sind meistens irgendwie beleidigt. Die wollen sich in ihren Glauben weder von Wagner noch von einem Schlingensief oder von mir reinreden lassen.

Sollte man »Parsifal« dann nicht aus einer konsequent nichtreligiösen Perspektive interpretieren?

Meine Herangehen ist das nicht. Ich bin kein Regisseur, der meint, dass er die Autorschaft unbedingt übernehmen müsste. Wenn man dabei bleibt, kommt man aus dem religiösen Kontext nicht raus. Ich weiß auch nicht, warum wir nicht über Religion reden sollten. Das ist immer noch ein großes Thema unserer Gesellschaft, unserer Geschichte und auch unseres Bewusstseins. Nicht zuletzt, weil wir uns dauernd mit den Fanatikern auseinandersetzen müssen.

Wie haben Sie sich dem »Parsifal« genähert?

Innerlich arbeite ich daran schon 30 Jahre. Ich habe hier in Bayreuth das erste Mal mit 19 den »Ring« von Patrice Chéreau gesehen. Seitdem lebe ich mit diesen Stücken. »Parsifal« war für mich am schwersten zu verstehen. Es hat eine Weile gedauert, bis ich die unglaubliche Schönheit der Musik entdeckt habe. Na ja, und dann war irgendwann das Konzept für Köln fertig, das man dort nicht mehr mit mir wollte.

»Parsifal« und Bayreuth - gibt es da eine besondere Aura?

»Parsifal« ist speziell für hier konzipiert. Mich inspiriert dieser Ort total. Die Musik und die Themen sind groß. Wenn Sie dann auch noch eine Besetzung haben, die mit Ihnen geht ... Sie merken das bei der Technik, bei der Requisite, beim Chor, beim Orchester. Die Musiker hier fangen bei der Probe da an, wo normale Orchester aufhören. Die ungeheuere Kraft, die darin liegt, dass hier alle herkommen, um - ganz egal, was sonst noch passiert - genau diese zehn Stücke zu machen, die spürt man.

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