Stahlstreit und Sommerhitze auf Pekinger China-EU-Gipfel
Suche nach Verhandlungslösungen und strategische Kooperation
Um klare Worte waren weder die EU- noch die chinesischen Spitzenpolitiker bei ihrem am Mittwoch beendeten zweitägigen Gipfel verlegen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker warnte markig vor Journalisten: »Die Europäische Union wird ihre Stahlindustrie verteidigen.« Die Überkapazitäten in der chinesischen Industrie seien auch für Europa ein »ernsthaftes Problem«. Chinas Premier Li Keqiang war kaum weniger deutlich. Sein Land würde 90 Prozent seines Stahls im eigenen Land verbauen und habe allein in diesem Jahr Überkapazitäten der Industrie um 45 Millionen Tonnen abgebaut. »Außer China gibt es kein Land, das so etwas vorher gemacht hat«, sagte Li. »Hoffen wir, dass die EU das versteht.«
Schon der hauptstädtische Sommer verlangt Einwohnern und Gästen Pekings mit 35 Grad feuchtwarme Hitze fiel ab. Auf dem 18. China-EU-Gipfel am Dienstag und Mittwoch war davon aber nichts zu spüren. Betont entgegenkommend trafen sich EU-Ratspräsident Donald Tusk, Juncker und Ministerpräsident Li Keqiang in wohltemperierten Verhandlungsräumen und mit Staatspräsident Xi Jinping ausdrücklich lösungsorientiert.
So wurde in Peking diskutiert, dass China den ihm laut WTO-Bestimmungen zustehenden Marktwirtschaftsstatus ab 2017 erhält. Das EU-Parlament hatte das im Mai abgelehnt, im Dezember steht die endgültige Entscheidung dazu an. Übergreifend geht es um Investitionssicherheit, Vertragsfreiheit, gleiche Marktzugangsbedingungen insbesondere bei öffentlichen Ausschreibungen und um den Schutz geistigen Eigentums für Unternehmen in China.
Verhandlungsmasse existiert zur Genüge. Doch der Gipfel machte deutlich, dass Probleme durch Verhandlungen, nicht aber durch Sanktionen oder gar einen Wirtschaftskrieg gelöst werden müssen. Es gibt keine erkennbare macht-, sicherheits- und militärpolitische Gegnerschaft, wie sie sich gegenwärtig zwischen China einerseits sowie den USA und Japan andererseits zuspitzt.
Auch dafür gibt es genügend Gründe. So war in Brüssel am 22. Juni 2016 eine neue China-Strategie bis 2020 beschlossen worden, nur Stunden vor dem »Ja« der Briten zum EU-Austritt. Nun müssen umso dringlicher Karten neu gemischt werden. Die Existenz der EU stellt Peking dabei in keiner Weise infrage, es orientiert vielmehr auf deren Stärkung.
Während von den Deutschen rasch von Krise gesprochen wird, sind die Chinesen in ihrer Denkart eher darauf aus, Chancen herauszustellen, die sich aus veränderten Sachlagen ergeben. Grundlage dafür ist, dass die EU Chinas wichtigster Wirtschaftspartner bleiben wird und China der zweitgrößte für die EU. Der Warenaustausch belief sich 2015 auf insgesamt 520 Milliarden Euro, davon entfielen 170 Milliarden auf den EU-Export nach China und 350 Milliarden auf den Import aus dem Reich der Mitte.
Für die EU geht es darum, den Sprung ins digitale, Innovations- und Umweltschutz-Zeitalter zu schaffen und die Finanzkrise zu überwinden. China muss sein neues Entwicklungsmodell einer nachhaltig wissensbasierten Wirtschaft voranbringen. Die Strategie »Made in China 2025« und der Aktionsplan »Internet Plus« sind dafür Markenzeichen.
Diese inhaltlich teilweise sehr unterschiedlichen Prozesse politisch, ökonomisch und sozial zusammenzuführen, wurde jetzt in Peking von beiden Seiten als eine der großen Herausforderungen für die kommenden Jahre charakterisiert. 2014 war beim Besuch Xi Jinpings in Brüssel die Strategische Kooperationsagenda 2020 vereinbart worden. Der 2013 von China initiierte »Aufbau des Wirtschaftsgürtels entlang der Seidenstraße und der maritimen Seidenstraße« nimmt Gestalt an.
Der Finanzierung dient auch Chinas Mitgliedschaft in der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung. Seit zwei Jahren wird ein Investitionsabkommen mit der EU verhandelt, das den Marktzugang und zugleich Schutzmechanismen für Investoren beider Seiten gewährleistet.
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