Renzi möchte das Wahlvolk beruhigen

Für Italiens Regierung könnte es das Aus bedeuten, wenn die Bankenprobleme ungelöst bleiben - die Fünf-Sterne-Bewegung steht bereit

  • Wolf H. Wagner, Florenz
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Brexit-Votum hat die Schieflage italienischer Kreditinstitute verstärkt. Die Regierung verspricht den Sparern Rettungsmaßnahmen.

»Die italienischen Sparer und Kontoinhaber haben nichts zu befürchten, ihre Einlagen sind sicher.« Kaum ein Tag vergeht derzeit, an dem Italiens Regierungschef Matteo Renzi nicht zu beruhigen versucht. Die Banken des Landes sind angeschlagen. Nicht erst seit dem britischen Brexit-Votum verzeichnen die Kreditinstitute rote Zahlen. Am stärksten betroffen ist die älteste Bank der Welt, die 1472 gegründete Monte dei Paschi di Siena (MPS); Missmanagement und eine große Zahl fauler Kredite belasten das Traditionsbankhaus in der Toskana.

Nach Berechnungen der Finanzaufsicht sind 47,3 Prozent des italienischen Bankenkapitals gefährdet. Doch damit steht das Land nicht allein. In Irland sind es 44,8 Prozent und selbst in Deutschland 36,6 Prozent. Um ein Funktionieren der Wirtschaft zu garantieren, muss also eine europapolitische Lösung her.

Genau dies betont Renzi stets in seinen Verhandlungen mit Brüssel: Die Bankenkrise sei ein Problem der gesamten EU. Daher müsse man die geltenden Regeln überdenken, wenn sie einer Lösung im Weg stehen. Nach Einschätzung von Analysten benötigen Italiens Banken einen Rettungsschirm von 40 Milliarden Euro. Den will Renzi aufspannen, doch Brüssel und Berlin lehnen dies ab. Laut den EU-Regeln müssten nicht die Steuerzahler, sondern die Bankgläubiger zur Kasse gebeten werden, wozu in Italien viele Kleinanleger gehören. Rom ist keineswegs gewillt, den Ärger seiner Sparer und Kontoinhaber - allesamt Wähler - zu provozieren. Deswegen denkt Finanzminister Pier Carlo Padoan wie auch Zentralbankchef Ignazio Visco laut über staatliche Interventionen wie Direktkapitalisierungen oder die Ausgabe von Staatsanleihen nach, die binnen drei Jahren in Bankaktien umzuwandeln sind.

Auch innenpolitisch sind diese Maßnahmen nicht unumstritten. Der Fraktionschef der rechten Partei Forza Italia, Renato Brunetta, spricht von einem »linken Drama«, das die MPS »ausgehöhlt« habe. Die Bank sei »seit Jahrzehnten kommunistisch«, von PCI, PDS, DS und Pd gesteuert (Renzi gehört der Mitte-Links-Partei Partito Democratico, Pd, an). Auch der Fehlkauf der Banca Antonveneto für 9 Milliarden Euro ist laut Brunetta eines der linken Fehlgeschäfte, die die MPS an den Rand des Ruins geführt haben. Und dafür sollten nun die Steuerzahler herhalten?

Renzis Replik: »Mich interessiert nicht die Rettung der Bank, sondern der Schutz der Sparer und Konteninhaber.« Die Regierung verfolge die Entwicklung mit Aufmerksamkeit und hoffe auf eine Lösung aus dem Markt. Sie werde sich aber nicht scheuen einzugreifen, sollte sich dies als notwendig erweisen. Dies werde man auch in Brüssel erklären.

Tatsächlich dürfte Matteo Renzi wohl die Zusagen bekommen, die er für sein Sanierungsprogramm benötigt. Denn dies könnte ihm im Wahlvolk die nötige Rückendeckung für das Referendum für eine Verfassungs- und Parlamentsreform im Herbst bescheren. Eine Niederlage würde das Ende der Koalitionsregierung aus Pd und Neuer Rechter Mitte bedeuten sowie dem Krisenland instabile Verhältnisse bescheren, die in Brüssel wohl keiner wünscht.

Bei Neuwahlen könnte nämlich die unberechenbare Fünf-Sterne-Bewegung des Komikers Beppe Grillo der Sieger werden, die sich manche EU-Mitglieder nur im Albtraum als Verhandlungspartner vorstellen können. Insofern wird damit gerechnet, dass die EU-Kommission zu Kompromissen bereit sein wird, um Renzi und damit Italien zu stabilisieren. Mit einer Mischung aus Staatshilfen und Verlustbeteiligung der Investoren könnten beide Seiten leben.

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