Ruhe im Auge des Sturms

Die Entwicklungen in der Türkei könnten auch Folgen für Nordzypern haben

  • Karin Leukefeld, Nikosia
  • Lesedauer: 3 Min.

Die gewaltsamen Auswirkungen des syrischen Flächenbrandes haben Zypern bisher verschont. Zwar werden die Militärbasen im Süden des Landes von Briten und NATO-Soldaten genutzt, um Aufklärungs- und Kampfeinsätze über Irak und Syrien zu steuern, doch es gibt nur wenige Flüchtlinge aus Syrien oder anderen Kriegsgebieten. Ideologisch-religiös motivierte Gewalt kennt man nicht.

Zypern liegt im »Auge des Sturms«, der im Mittleren Osten und immer mehr auch in europäischen Ländern tobt. Die Ruhe ist trügerisch und kann jederzeit umschlagen. Konfliktpotenzial bergen nicht nur der Flächenbrand im Mittleren Osten und die vielen Flüchtlinge, die geostrategische Lage der Insel im östlichen Mittelmeer und die Naturgasfelder, die zwischen Zypern und der Küste der Levante geortet wurden, haben Begehrlichkeiten geweckt.

Und so ist es nicht verwunderlich, wenn Touristen an der Küste fast täglich britische Kampfjets von den Basen Akrotiri oder Dhekelia aufsteigen sehen, die nur knapp 150 km weiter östlich ihre tödliche Fracht über Irak oder Syrien abwerfen. Auch israelische Kampfjets drehen Übungsrunden über Zypern, russische Kriegsschiffe liegen am Pier, die US-Marine, die französische, deutsche und türkische Marine manövrieren in zypriotischen Gewässern.

Nicht nur militärisch, auch diplomatisch wird um Zypern gerungen. Unter der Vermittlung der Vereinten Nationen findet seit mehr als zehn Jahren ein Verhandlungsprozess zwischen der von der Türkei 1975 installierten Türkischen Republik Nordzypern und dem Süden der Insel, der Republik Zypern, statt, die auch Mitglied der Europäischen Union ist. Ziel der Verhandlungen ist die Einigung über eine gemeinsame Regierung der Insel, die seit 1974 geteilt ist.

Damals hatte die Türkei einen Putsch der griechisch-zyprischen Nationalgarde zum Anlass genommen, um mehr als 40 000 Soldaten nach Nordzypern zu schicken. Diese sollten die Rechte der türkisch-zyprischen Minderheit schützen. Allerdings wurde daraus eine Besatzung, die bis heute andauert. Ankara siedelte im Norden Zyperns Türken aus Zentralanatolien an, traditionell eine konservative, ländlich geprägte Bevölkerung. Heute sind viele von ihnen Anhänger der in Ankara regierenden Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan.

Entsprechend aufmerksam werden die Ereignisse um den misslungenen Putsch vom 15. Juli und der massive Säuberungssturm beobachtet, der über Armee, staatliche Institutionen, Universitäten, Schulen und Medien in der Türkei hereingebrochen ist und auch Nordzypern erfassen könnte.

Die einen - darunter nordzypriotische Journalisten - applaudieren Erdogan und fordern den Einsatz von mehr türkischer Armee auf der Insel, um die »Gülen-Terroristen« festzunehmen, die es angeblich auch in Nordzypern gibt. Die anderen befürchten, dass die innerzypriotischen Gespräche ausgesetzt und der Norden der Insel möglicherweise von der Türkei annektiert werden könnte.

Nahrung für derlei Befürchtungen lieferte am Dienstag der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim. Zwar unterstütze die Türkei die von der UNO moderierten Zyperngespräche. Doch die nächste Gesprächsrunde, so der Premier, könnte die letzte Chance für die griechischen Zyprioten sein, eine Einigung zu erreichen. Die türkische Seite habe sich stets konstruktiv verhalten, während die griechische Seite immer als »Spielverderberin« aufgetreten sei, sagte Yildirim. Er rate den griechischen Zyprioten zu »mehr Weisheit«.

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