Australische Rechtsradikale maskieren sich als Muslime

Mitglieder der rechtsextremen Party for Freedom hatten sich verkleidet, um flüchtlingssolidarische Gemeinde einzuschüchtern

  • Barbara Barkhausen, Sydney
  • Lesedauer: 3 Min.

Vater Rod war mitten in seiner Predigt. Er sprach über Jesus Christus und eine nicht ganz einfache Bibelstelle, als eine Gruppe Männer und Frauen in die Kirche stürmte. Sie trugen lange, muslimische Kleidung, breiteten Gebetsteppiche aus und begannen, eine Tonaufnahme von der Verlesung einer Passage aus dem Koran abzuspielen. Die Kirchengemeinde war schockiert.

Bei den etwa zehn Teilnehmern handelte es sich jedoch keineswegs um echte Muslime. Mitglieder der rechtsradikalen Party for Freedom hatten sich verkleidet, um die Gemeinde, die für ihre humanitäre Einstellung gegenüber Asylsuchenden bekannt ist, einzuschüchtern.

Vater Rod Bower ist in Australien so etwas wie eine Institution. Der anglikanische Priester, der einer Kirchengemeinde, etwa eine Stunde nördlich von Sydney vorsteht, hält nicht zurück mit seiner Meinung. Fast jede Woche prangert er in seiner Kirche in Gosford an, wie Asylsuchende behandelt werden, setzt sich für Homosexuelle ein, assoziiert sich mit muslimischen Gläubigen oder gibt seine politische Meinung zum Besten.

Seine Botschaften übermittelt er stets über ein Schild vor der Kirche – Bilder davon veröffentlicht er regelmäßig auf Facebook. Auch die nationalistische Politikerin Pauline Hanson, die mit ihrer Partei One Nation bei den Wahlen im Juli vier Sitze im australischen Senat erhalten hat, erhält von Bower schon mal persönliche Nachrichten mittels seines Kirchenschildes. Im Juli kritisierte der Priester beispielsweise die »Hass- und Angstpolitik« der ultrarechten Hanson.

Mit genau jener Hanson assoziieren sich aber auch die Nationalisten, die am Sonntag in die australische Kirche eindrangen. Das Foto der 62-Jährigen prangt groß auf ihrer Facebookseite. Hanson selbst distanzierte sich in einem Interview mit dem »Guardian« zwar von der Aktion. Ihre populistischen Parolen gegen muslimische Migranten, den Bau von Moscheen oder Halal-Zertifizierungen schlagen jedoch in die gleiche Kerbe.

Während des Vorfalls schrien die Mitglieder der Gruppe, dass Muslime die Welt einnehmen würden und dass die westliche Welt es nicht wahrhaben wolle. Bevor sie die Kirche verließen, riefen die Männen noch: »Werbt nicht für den Islam.« Der australische Geistliche bewahrte die Ruhe während des bizarren Vorfalls, bei dem niemand angegriffen oder verletzt wurde. Schnell erkannte er, dass die Eindringlinge sich als Muslime verkleidet hatten. Er beruhigte seine Gemeinde, die wie er später sagte, von dem Vorfall zum Teil »schwer traumatisiert« war. Im Raum waren auch Kinder, ältere Menschen und Flüchtlinge. Auch die Polizei wurde eingeschaltet.

Bower setzte den Gottesdienst nach dem Vorfall fort, beendete seine Predigt und erinnerte seine Gemeindemitglieder, dass das ein Beispiel für das »radikalisierte Denken« sei, das er ablehne. »Traurigerweise werden diese mit Hass erfüllten Menschen wahrscheinlich bei der Volkszählung vergangenen Dienstag auch noch angegeben haben, dass sie Christen sind«, schrieb er auf Facebook. Das seien radikalisierte Christen und rechtsextremer Terror und das solle man auch beim Namen nennen. »Wir arbeiten schwer daran, Brücken zu bauen anstatt Mauern und ich fürchte, diese Rechtsextremen wollen nur eine dysfunktionale Gesellschaft«, sagte er dem Sender ABC.

Laut lokaler Medien könnte die Aktion in Zusammenhang mit Berichten stehen, nach denen einige rechtsorientierte Senatoren, darunter auch Hansons One-Nation-Anhänger, einen wichtigen Teil aus dem Antidiskriminierungsgesetz streichen lassen wollen. Laut dem Gesetz dürfen Menschen oder Gruppen von Menschen nicht aufgrund ihrer Rasse beleidigt oder verletzt werden.

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