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Der Zeitungs-Dichter

Zum Tod von Lothar Kusche

  • Matthias Biskupek
  • Lesedauer: 3 Min.

Vor siebzig Jahren wurde unter dem Titel »Suppe kochen 46« eine Glosse gedruckt, voller grimmigem Humor. Es war ein Kabinettstück, führte vor, wie man in der Nachkriegszeit versuchte, den Hunger zu stillen. Verfasst hatte dies der damals sehr dünne und sehr junge Lothar Kusche. Die Geschichte begann: »Ich bin tot, und das kam so.«

So flapsig, mit einem Anflug von schwarzem Humor, darf man wohl nur jenes Berliner Humoristen und Feuilletonisten gedenken, der im Mai vor 87 Jahren in Berlin-Neukölln geboren wurde und am Samstagmorgen in einem Seniorenheim, unweit seiner Wohnung am Baumschulenweg verstorben ist.

Lothar Kusche war ein feiner, witziger, überaus belesener, ein aufgeräumter Mensch. Man kam nie zu ihm, ohne dass er mit einer humorigen Bemerkung grüßte, nie ging man von ihm, ohne dass er nicht noch eine Schnurre oder Anekdote in der Hinterhand hatte. Dabei war der Humor Lothars kaum angestrengt, er behielt seine Berliner Lässigkeit, eine Verschmitztheit des großen Jungen und kleinen Mannes; Bosheit kam in verträglichen Prisen daher.

Das Handwerk des Feuilletonisten, des Zeitungs-Dichters, hatte er gelernt, ohne je eine Hochschule besucht zu haben. Er gehörte zu Berlin und zur DDR, zum Satireblatt »Eulenspiegel«, zu dessen Vorgängern »Frischer Wind« und »Ulenspiegel«, und er war ein Weltbürger der »Weltbühne«. Später blieb er deren Nachfolger, dem »Ossietzky«, bis in die letzten Jahre hinein treu. Er war mal beim Kabarett »Distel« Dramaturg, und er war ein präsenter Vorleser seiner Pointen von Ahlbeck bis Zittau.

Es gibt eine geteilte Wahrnehmung des deutschen Literaturlebens zwischen 1950 und 1990, auf manchem Felde, wie dem des Humors, bis heute. So ist Kusche für leselustige, also bildungsnahe Menschen des Ostens noch immer der bedeutende Feuilletonist und Satiriker, der das kleinere Deutschland und auch mal die größere Welt bis über den Atlantik mit feinem Humor beschrieb und sich selber dabei nie zu wichtig nahm. Für Westler benötigte Kusche einen - fehlerhaften - Stempel: »Kishon vom Alexanderplatz.« Das war er nie. Er war Kusche. Der seine meist kurzen und immer kurzweiligen Texte in ein paar Dutzend Büchern gesammelt hatte, die in zweieinhalb Millionen Exemplaren verkauft wurden.

Gelegentlich missverstanden Amts-Träger seinen Humor. Als er vor einigen Jahrzehnten mal einen anerkennend gemeinten Satz über Gartenzwerge und Volksmusikanten drucken ließ, brachte ihm das noch zwanzig Jahre später eine Beleidigungsklage ein.

Ein literarisches Gastspiel gemeinsam mit Lothar - wir sagten »Texte aufsagen« oder »mit Betonung vorlesen« dazu - war immer ersprießlich. Manche Humoresken hört man einmal und fertig ist die Laube. Lothars Vorlese-Kunst war von der Art, dass man auch gebannt lauschte, wenn man die Pointe kannte. Zudem gehörte er zu den wirklich kameradschaftlichen Bühnen-Lesern. Nein, Lothar musste sich nicht vordrängeln, nein, er musste nicht noch drei unnötige Minuten an seine Geschichte anhängen. Er hatte seine Lacher, er biederte sich nicht an, er war ein wunderbar neugieriger Mensch.

Bis vor kurzem war er das. Gesundheits-Schläge brachten ihn in den Rollstuhl, Lothars Lebensgefährtin Ingelott sorgte dafür, dass ihm im Heim wenig fehlte. Nun ist er also tot und wird uns fehlen.

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