Der Hahn kratzt an der »Königin«
Die Ampel-Koalition in Rheinland-Pfalz ist seit 100 Tagen im Amt
Mainz. Als Malu Dreyer das Zepter der Regierungschefin übernahm, wurde sie in ihrer Partei »Königin der Herzen« genannt. Beliebt ist die SPD-Politikerin dreieinhalb Jahre später immer noch, schließlich hat sie mit ihrer SPD die Landtagswahl im März überraschend deutlich gewonnen. Doch das Image der neuen Ampel-Koalition aus SPD, FDP und Grünen ist angekratzt. Schuld daran ist der verpatzte Verkauf des Flughafens Hahn im Hunsrück.
Die chinesische Shanghai Yiqian Trading (SYT), die Innenminister Roger Lewentz (SPD) Anfang Juni als Käufer des verschuldeten Airports präsentierte, entpuppte sich wenige Wochen später als mutmaßlicher Betrüger. Dreyer spricht von einem peinlichen Vorgang, sieht aber die Verantwortung nicht in der Staatskanzlei. »Ich sage, dass sowohl KPMG als auch das Innenministerium da zu einer falschen Einschätzung am Ende gekommen sind«, erklärte die Regierungschefin am Dienstag.
Der verschuldete Hunsrück-Airport gehört bisher zum Großteil Rheinland-Pfalz, zum kleinen Teil Hessen. Ende März 2015 bot die damalige rot-grüne Landesregierung den Flughafen zum Verkauf an, als Käufer wurde der chinesische Investor SYT gefunden. Ende Juni 2016 besuchte ein Korrespondent des SWR den Geschäftssitz der Firma in Schanghai, fand dort am Eingang des Gebäudes jedoch zunächst keinen Hinweis auf die Firma. In einem kleinen Büro im 17. Stock traf er nach eigenen Angaben zwischen Pappkartons fünf Personen, die bestätigen, für die SYT zu arbeiten.
Ende Juni brach das Land die Verkaufsverhandlungen mit dem chinesischen Investor ab, nachdem die erste Rate des Verkaufspreises von rund 13 Millionen Euro nicht eingegangen war. Es besteht der Verdacht, dass gefälschte Bankbelege im Spiel waren. Neben den Vorwürfen gegen die Ampel-Regierung steht auch die Wirtschaftsprüfgesellschaft KMPG in der Kritik. Die war zur Analyse der Bieter beauftragt worden, prüfte aber offenbar nicht einmal deren Firmensitz. Insgesamt entstanden dem Land Rheinland-Pfalz bisher aus der Beauftragung von KPMG für den Verkaufsprozess in Hahn seit 2012 Beratungskosten von über sechs Millionen Euro.
Dreyer zeigt sich nun zuversichtlich, in der neuen Ausschreibung einen Käufer zu finden. Mit Blick auf Gedanken von Grünen-Fraktionschef Bernhard Braun über Alternativen nachzudenken, falls es am Airport keinen Flugbetrieb mehr geben sollte, erklärte sie: »Absolute Priorität in diesem Verfahren hat der Verkauf des Flughafens.«
CDU-Generalsekretär Patrick Schnieder gibt der Ampel-Koalition nach ihren ersten 100 Tagen die Note »ungenügend«: »Mit der Hahn-Posse gefährdet die Landesregierung unter Frau Dreyer nicht nur die Zukunft des Flughafens, sondern hat sich mit ihrem Dilettantismus der Lächerlichkeit preisgegeben.« Auch innerhalb der Koalition gibt es Unmut. Marco Weber, Geschäftsführer der FDP im Landtag, sagte im Juni mit Blick auf die SPD: »Die letzten zehn Jahre hat gerade Rot den Flugplatz Hahn versemmelt.« Auch die Grünen sind hierbei nicht zufrieden: Fraktionschef Bernhard Braun nennt den Flughafen »problematisch«. »Unser Anliegen ist, kein Steuergeld mehr in ein Fass ohne Boden zu stecken. Dass wir das können, haben wir Grüne in Zweibrücken und am Nürburgring gezeigt.«
Die erste große Bewährungsprobe hat die Ampel aber bereits hinter sich: Dreyer überstand Mitte Juli ein Misstrauensvotum der CDU mit den Stimmen ihrer Koalition. dpa/nd
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