Marsch auf Caracas bleibt friedlich

Venezuelas Opposition verstärkt den Druck auf ein schnelles Referendum über den Präsidenten Maduro

  • Martin Ling
  • Lesedauer: 3 Min.

Die »Einnahme von Caracas« verlief ohne Blutvergießen. Unter diesem Slogan hatte das venezolanische Oppositionsbündnis »Tisch der Demokratischen Einheit« zum Sternmarsch auf Caracas und zur Großdemonstration in der venezolanischen Hauptstadt aufgerufen. Dass es am 1. September nur vereinzelt zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei kam und gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Oppositions- und Regierungsanhänger vermieden werden konnten, ist ein bemerkenswerter Erfolg. Bei der vergangenen Großmobilisierung der Opposition gegen die venezolanische Regierung im Frühjahr 2014 kamen landesweit 43 Menschen ums Leben, darunter mindestens acht Polizisten und Soldaten, die Zahl der Verletzten wurde auf über 600 beziffert.

Leopoldo López, Venezuelas radikaler Oppositionsführer, sitzt seit dem blutigen Frühjahr 2014 im Gefängnis. Er wurde als Rädelsführer ausgemacht und dafür zu 14 Jahren verurteilt. Seine Frau war am 1. September unter den Demonstranten: »Tausende Venezolaner gehen für die Freiheit auf die Straße«, sagte Lilian Tintori.

Die zentrale Forderung der Regierungsgegner: eine zügige Volksabstimmung über den sozialistischen Staatschef Nicólas Maduro . »Mehr als eine Million Menschen haben ein Referendum in diesem Jahr gefordert, um Schluss zu machen mit dem Mangel, der Inflation, der Unsicherheit und der politischen Verfolgung«, sagte der oppositionelle Bürgermeister des Hauptstadtbezirks El Hatillo, David Smolansky.

Dass es zu einem Referendum kommt, ist wahrscheinlich, umstritten ist der Zeitpunkt und der ist entscheidend. Schon Anfang Mai hatte die Opposition nach eigenen Angaben 1,9 Millionen Unterschriften bei der Wahlbehörde eingereicht. Die ließ sich mit der Überprüfung bis Anfang August Zeit. Rund 400 000 Unterschriften wurden verifiziert - doppelt so viele wie für den Fortgang des Referendumsprozesses erforderlich. Inzwischen steht auch die Frist für den zweiten Schritt, die Vorlage der Unterschriften von zwanzig Prozent aller Wahlberechtigten: Zwischen 20. und 24. Oktober sind sie bei der Wahlbehörde einzureichen. Wenn sich der Überprüfungsprozess der mindestens benötigten vier Millionen Unterschriften ähnlich lange hinzieht wie beim ersten Schritt, wird es eng mit einem Referendum vor dem 10. Januar 2017. Der 10. Januar ist die Scheidelinie: Nur wenn das Referendum davor stattfindet und mit einer Abwahl von Maduro endet, finden Neuwahlen statt. Sonst übernähme im Falle eines Neins zu Maduro dessen sozialistischer Stellvertreter Aristóbulo Istúriz die Regierungsgeschäfte bis zum Ende von Maduros sechsjährigem Mandat im April 2019. Das will die Opposition unbedingt verhindern.

Maduro steht nicht allein. Am 1. September führte er seinerseits eine Demonstration seiner Unterstützer in Caracas an. »Sie sind einmal mehr gescheitert ... Der Sieg ist des Volkes, des Friedens, der Revolution«, sagte er auf der Kundgebung. Er warf der Opposition vor, die Bürger zur Gewalt anzustacheln. Der Staatschef beschuldigte den oppositionellen Parlamentspräsidenten Henry Ramos Allup, »Hass, Vergeltung, Faschismus und Gewalt zu fördern«.

Er werde die Immunität der Abgeordneten des von der Opposition kontrollierten Parlaments per Dekret aufheben, kündigte er bei der Kundgebung an. »Ich bin entschlossen, das Vaterland und die Souveränität des venezolanischen Volkes mit allen Mitteln zu verteidigen.«

Der 1. September ist friedlich verlaufen. Doch die Opposition kündigte weitere Demonstrationen an, um ein baldiges Referendum gegen Maduro zu erzwingen. Am 7. September wollen die Regierungsgegner in den Provinzhauptstädten sechs Stunden auf die Straße gehen, am 14. September zwölf Stunden, wie MUD-Chef Jesús Torrealba sagte. Entspannung ist in Venezuela nicht in Sicht.

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