Sellin verkauft seine Wohnungen

Umstrittene Hillebrand-Familie kam zum Zug

  • Bernhard Mehnke, Sellin
  • Lesedauer: 2 Min.
Das Ostseebad Sellin auf Rügen verkauft seine kommunalen Wohnungen an einen Investor aus dem Rheinland. Die Geschwister Hillebrand GmbH aus Kerpen bei Köln erwirbt die Wohnungsverwaltungsgesellschaft des Ortes. Der notarielle Kaufvertrag wurde noch am Mittwoch besiegelt.
Bei dem Verkaufspaket handelt es sich um 350 Mieteinheiten, in denen mit rund 900 Personen etwa ein Drittel der 2600 Einwohner des zweitgrößten Seebads auf Rügen leben. Hauptbestandteil sind Plattenbauten in der Siedlung am Wald, die von der Gemeinde vor zehn Jahren saniert worden waren. Hinzu kommen kleinere Häuser und zwölf Wohnungen im Gebäude der Kindertagesstätte. »Mit der Privatisierung ermöglichen wir die weitere Modernisierung, die die Gemeinde allein nicht leisten kann«, begründete Bürgermeister Reinhard Liedtke den Beschluss. Der Käufer verpflichte sich, mehrere Millionen Euro auch in die Fassadensanierung, den Bau von Aufzügen und altersgerechte Wohnungen zu investieren. Außerdem müsse er den Wohnraum sozialverträglich bewirtschaften. Matthias Scheibe von der PDS im Selliner Gemeinderat kritisierte den Beschluss. Die Kommune beraube sich der Notwendigkeit, die Wohnungs- und Sozialpolitik des Ortes mitzugestalten, und trage ein hohes Risiko, da sie für Alt-Kredite bürge. Scheibe hält den aus Steuergründen vor Jahresfrist vollzogenen Verkauf ohne Ausschreibung »für keinen guten Deal«. Erst im Oktober waren die Absichten im Gemeinderat öffentlich geworden. Die Hillebrand GmbH übernimmt laut Liedtke Darlehen von 13,5 Millionen Euro. Zudem zahlt sie der Gemeinde wohl 600 000 Euro, wie es heißt. »Der Preis ist die Obergrenze dessen, was wir zahlen wollten«, sagte Herbert Hillebrand, Beiratsvorsitzender. Die Firma will 800 weitere Wohnungen auf Rügen erwerben. Die GmbH gehört den 15 Kindern des als »Burgenkönig« bekannt gewordenen ehemaligen Bau-Tycoons Herbert Hillebrand. Laut diverser Medienberichten geriet sein Firmenimperium in den 90er Jahren wegen Fehlinvestitionen in die Krise. Es machte Millionenverluste mit dem Mediapark in Köln und mit Firmenkäufen im Osten. 2000 ging die Firma des 67-Jährigen in Insolvenz. Den größten Teil des Besitzes hatte er vorher seinen Kindern übereignet. Anfang 2000 verurteilte das Kölner Landgericht ihn wegen Veruntreuung von Treuhand-Geldern zu zwei Jahren Haft auf Bewährung.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.