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Viel Zucker, wenig Ertrag
Wegen der Rekordernte klagen Bauern und ihre Produzenten über zu niedrige Preise
Den 24 000 Rübenanbaubetrieben in Deutschland ergeht es wie anderen Landwirten auch: Auf eine gute Ernte folgen häufig sinkende Preise. Die Zuckerwirtschaft zog daher nach Abschluss ihrer »Rübenkampagne« eine zwiespältige Bilanz. Im Erntejahr 2024/25 wurde einerseits die Rekordmenge von fast 33 Millionen Tonnen Zuckerrüben in den 18 deutschen Fabriken verarbeitet. Andererseits fiel aber der Marktpreis im Vorjahresvergleich um 35 Prozent und stand nach Abschluss der Rübenkampagne laut EU-Kommission bei nur noch 541 Euro pro Tonne Zucker. Aktuell dümpelt er um 550 Euro herum – vor einem Jahr hatte er in der Spitze mehr als 850 Euro betragen.
Diese Schlussbilanz spiegelt das ganze, teils widrig verlaufene Anbaujahr wider. Im Frühjahr 2024 war die Rübensaat aufgrund hoher Niederschläge erst spät in den Boden gekommen. Feuchtes und warmes Wetter förderte Pflanzenkrankheiten über die gesamte Vegetationszeit. Die erhofften Sonnenstunden im Frühherbst blieben aus und die gefürchtete Schilf-Glasflügelzikade tat mit den von ihr übertragenen Krankheiten das Übrige. In der Folge hatten die Rüben einen sehr niedrigen Zuckergehalt.
Trotzdem schloss die kleinste Zuckerfabrik in Deutschland, der Standort der niederländischen Cosun Beet Company in Anklam, im Februar mit 1,9 Millionen Tonnen eine Rübenkampagne, die mengenmäßig »alle Rekorde brach«. Zufrieden mit dem finanziellen Ertrag konnten Fabrikvorstand wie Bauern in Vorpommern nicht sein. Letztere hatte die Anklamer Zuckerfabrik zusätzlich verärgert, weil sie ihre Lieferanten laut NDR-Recherchen wegen gestiegener Energiekosten rückwirkend zur Kasse bat. 4,50 Euro pro gelieferter Tonne Rüben wurden für die Ernte 2023/24 abgezogen. Das würde etwa zwölf Prozent des Erlöses entsprechen.
Vom gesunkenen Preis profitiert am allermeisten die Industrie, die massenweise Zucker zu Brotaufstrichen, Backwaren und Getränken verarbeitet.
Jahrzehntelang hatte die Zuckermarktordnung der EU den europäischen Markt abgeschottet und die Preise stabil gehalten. Über eine Quote war geregelt, wie viel Zucker produziert werden durfte, Zuckerfabriken mussten den Landwirten einen Mindestpreis zahlen und die Exportmengen waren durch die Quotenregelung ebenfalls gedeckelt. Vor acht Jahren endete die Zuckermarktordnung und der EU-Markt wurde geöffnet.
Viele Länder können seither zollfrei oder zu einem niedrigen Zollsatz ihren Zucker in die EU einführen. Zum Ärger der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker in Berlin. »Dabei steht der deutsche Zuckerrübenanbau in unfairem Wettbewerb.« Große zuckererzeugende Drittstaaten subventionieren ihre Exporte – besonders die fünf größten Exporteure Brasilien, Indien, Thailand, Australien und Mexiko. EU-weit wird daher 2025/26 mit einem Rückgang der Anbauflächen gerechnet.
Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts fand der deutsche Chemiker Alexander Sigismund Marggraf heraus, dass auch die in Europa vorkommende Runkelrübe Saccharose enthält. Bis dahin wurde der Süßstoff aus Zuckerrohr hergestellt, welches in den Kolonien angebaut wurde. Die weltweit erste Rübenzuckerfabrik entstand dann in Cunern (Konary) im damaligen Schlesien.
Heute wird der Markt in Deutschland dominiert von zwei Anbietern, Nordzucker in Braunschweig und die Südzucker AG in Mannheim. Letztere ist nun ins Visier linker Aktionäre geraten. Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre (DKAA) in Köln beantragt, dem Vorstand die Entlastung zu verweigern. Die begonnenen Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Reduktion der Treibhausgasemissionen reichten nicht aus, um die Klimaziele, die sich Südzucker gegeben hat, erreichen zu können. Statt zu sinken, sind die Emissionen zuletzt sogar gestiegen. Und der Anteil fossiler Energie, vor allem aus Kohle und Erdgas, am Energieverbrauch des Konzerns betrage weiterhin über 80 Prozent.
Thema sind für Südzucker auch die Menschenrechte. Der Konzern unterhält Produktionsstandorte in 31 Ländern. Ausführlich wird im Geschäftsbericht die Arbeit eines neuen Teams beschrieben, das die Lieferketten checkt. Zucker steht allerdings nur noch für knapp die Hälfte des Umsatzes von rund zehn Milliarden Euro. So wird etwa aus Kartoffeln und Mais Stärke für die Papierindustrie und für Tierfutter hergestellt.
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In der energieintensiven Branche wächst nicht allein bei Südzucker das Interesse an Energiethemen. So hat man in Anklam schon früh auf die Produktion von Ethanol aus den Resten der Zuckerrübenverarbeitung gesetzt. Der Alkohol wird zu Kraftstoff verarbeitet. Auch eine Biogasproduktion wurde aufgebaut.
Mit Erbsen wollte indessen Nordzucker unabhängiger vom Zuckerweltmarkt werden und dafür bei Hannover eine neue Fabrik bauen. Das erst Ende 2024 angekündigte Werk wird nun vorerst nicht errichtet. Der Bio-Markt für solche Proteine entwickelt sich schlechter, als es Nordzucker erwartet hatte.
Das gilt auch für den Zuckerpreis. Unter den Agrarprodukten sank auf Jahressicht der Preis für den süßen Dickmacher laut Statistischem Bundesamt am stärksten. Davon profitiert am allermeisten die Industrie, die massenweise Zucker zu Brotaufstrichen, Backwaren und Getränken verarbeitet.
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