Doppelspitze beim Staatsballett

Ab 2019/20 soll die Compagnie von Sasha Waltz und Johannes Öhman geleitet werden

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 3 Min.

Gut zehn Tage vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus ließ Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller eine Ballettbombe platzen: Wie aus dem Hut gezaubert, verkündete er auf einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz im Roten Rathaus die Nachfolger des noch bis 2019 amtierenden, seit zwei Spielzeiten glücklos agierenden Staatsballett-Intendanten Nacho Duato. Ganz so, als solle noch rasch in Sack und Tüten gebracht werden, was Müller wichtig ist: das Staatsballett aus seiner Dauerkrise aus Streiks und Premierendebakel zu führen.

Nach erster Verblüffung hört sich nicht übel an, was auf Deutschlands größte Compagnie zukommt. Dann nämlich wird sie von einem Doppel aus Sasha Waltz und Johannes Öhman geführt, beide ebenbürtig in der Funktion eines Intendanten. Zufällig ist diese Paarung nicht, denn Waltz und Öhman verbindet eine knapp zehnjährige Zusammenarbeit. Er, der gegenwärtige Leiter des Königlich Schwedischen Balletts, war es, der Sasha Waltz ermunterte, ihre Produktion »No Body« an die Göteborg Dance Company zu bringen - Waltz’ erste Berührung mit einem großen Theater. Als Öhman 2011 die Direktion in Stockholm übernahm, konnte Waltz dort »Körper« einstudieren.

Einvernehmlich und in spürbarer Achtung voreinander saßen sie auf dem Podium der Pressekonferenz und stellten ihre Vision eines erneuerten Staatsballetts vor. Vereinbart sei eine klare Aufgabenteilung. Während er sich um Administration, Budget und Personalangelegenheiten kümmere, sei Waltz der kreative Teil. Pro Saison werde sie eine Uraufführung einbringen, ansonsten werden sich Klassik und Zeitgenössisches die Waage halten: Von den geplanten zehn Spielplanpositionen sind fünf dem Ballett, fünf neuen Werken gewidmet. Öhman wird nicht choreografieren, sondern für den klassischen Teil Gäste einladen. Namen wollte er noch nicht nennen. Dennoch habe er als gelernter Klassiker, der auch fünf Jahre einem zeitgenössisches Ensembles vorstand, einen Fuß in beiden Stilen. Ganz aus dem Geist der Kunst, ergänzt Waltz, solle sich die künftige Struktur ergeben und kreative Impulse in die Stadt senden.

Auch Waltz hat bereits im anderen Bereich »gewildert«, als sie Stücke mit klassischen Compagnien in Lyon, Paris, Amsterdam, Mailand und St. Petersburg erarbeitete. Ihr Respekt vor der Klassik und klassischen Tänzern sei dadurch gewachsen. Schon einmal war sie im Gespräch für die Leitung des Staatsballetts, doch als Teil einer Doppelspitze, wenn die Erfahrungen zweier Profis sich ergänzen, darf man eher auf erfolgreiches Wirken hoffen. Die Zahl der Tänzer soll auf keinen Fall reduziert werden, indes wird es neben dem klassischen Kern auch Tänzer, wie beide sagen, mit besonderer Kompetenz geben: eben für die zeitgenössischen Werke. Das hat so bereits die Pariser Oper vor Jahren praktiziert, indes mit etwa der doppelten Zahl an Compagnietänzern. Und wenn Waltz sich wünscht, Bühnenbildner, Designer, Architekten, Komponisten einzubeziehen, klingt das nach Aufbruch wie zu Zeiten der legendären Ballets russes.

Wieviel sich davon wird realisieren lassen, hängt von Faktoren ab, die im Moment nicht zu überblicken sind. Gut ist, dass dem Team Waltz/Öhman drei Jahre intensiver Vorbereitung bleiben, wiewohl Sasha Waltz ihre eigene Compagnie »Sasha Waltz & Guests« neben der Intendanz des Staatsballetts weiterführen will. Dessen Tänzer erfuhren von der Zukunft ihres Ensembles überrascht aus der Zeitung; einzig Duato hatte, so Müller, seinen Rückzug vom Leitungsposten ab 2019 signalisiert. Bis dahin wird weitergewurstelt, wird es Entlassung, Flucht und Neuzugang geben. Welche Compagnie Waltz und Öhman übernehmen, steht also in den Sternen.

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