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Nächster Halt: Rotes Rathaus

Der Rohbau des U-Bahnhofs im Herzen der Stadt ist fertig

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

»Nein, eigentlich war die U-Bahn-Baustelle nicht besonders laut«, sagt Brita Köhler. Sie wohnt in der Rathausstraße, nur einen Steinwurf vom künftigen U-Bahnhof Rotes Rathaus entfernt. Viel schlimmer seien die Arbeiten am Hotel an der Otto-Braun-Straße, da sei sich die Hausgemeinschaft einig. Sie findet es schön, zu dem Richtfest an diesem Mittwochvormittag eingeladen worden zu sein. Das gefällt ihr so gut, dass sie nicht mal groß über die langen Schlangen am Einlass klagen will.

»Wir vollenden etwas, was unsere Vorfahren vor 90 Jahren angefangen haben zu planen«, freut sich Sigrid Evelyn Nikutta, Chefin der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), über eine weitere geschaffte Etappe bei der Vollendung der durchgehenden U-Bahnverbindung zwischen Hönow und dem Hauptbahnhof. Zwar sind die Tunnelröhren zwischen der bisherigen Endstation der U 5 am Alexanderplatz und dem momentanen Ende der Pendellinie U 55 am Brandenburger Tor fertig, doch die drei Zwischenstationen fehlten bisher. 2020 soll die Strecke eröffnet werden. »Die Wohngebiete im Osten der Stadt rücken näher ans Zentrum heran«, freut sich der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) schon jetzt.

Christfried Tschepe, Vorsitzender des Berliner Fahrgastverbands IGEB, hat inzwischen auch seinen Frieden mit der Strecke gemacht. »Angesichts der häufigen Unterbrechungen auf der Stadtbahn ist es gut, wenn es künftig eine leistungsfähige Umfahrungsmöglichkeit gibt«, sagt er. Lange stand der teure Prestigebau in der Kritik. Statt weniger Kilometer Tunnel hätten für das gleiche Geld Dutzende Kilometer Straßenbahnstrecke gebaut werden können.

Nun ist also am Berliner Rathaus der erste Bahnhof im Rohbau fertig. Fast 57 000 Kubikmeter Boden wurden für den doppelstöckigen Bau ausgehoben. Die Fahrgäste werden nur die obere Bahnsteigebene zu sehen bekommen. Eine Etage tiefer befinden sich vier Abstellgleise, wo in einer fernen Zukunft eine U-Bahnstrecke nach Weißensee entlangführen könnte. Bahnsteige und die Ausfädelung am Alexanderplatz wurden bereits in den 1920er Jahren gebaut.

Der symbolische erste Spatenstich fand 2010 statt, wirklich losgelegt mit dem Bau wurde erst 2012. Der Grund: Archäologen fanden Reste des mittelalterlichen Rathauses. »Die archäologischen Ausgrabungen haben sich inspirierend auf die Bauweise ausgewirkt«, sagt Oliver Collignon, Architekt des Bahnhofs in einem kleinen Film, der im Rahmen der Feier gezeigt wird. Die Pilzkopfstützen, die die Bahnhofsdecke tragen, seien von der Gotik inspiriert. Tatsächlich erinnert nicht nur die Grundform an sich zur Decke hin verstrebende Säulen in Kirchen jener Zeit, auch die statische Funktion ist dieselbe. Auf diese Weise konnte die Decke dünner ausfallen und es waren auch nur sieben Säulen nötig.

Bereits im kommenden Jahr soll der Bahnhof Unter den Linden, wo künftig zur U 6 umgestiegen werden kann, rohbaufertig sein. Noch ist unklar, ob es beim künftigen Halt Museumsinsel auch so glatt laufen wird. Dort muss der Boden großflächig vereist werden, um die zur Hälfte unter der Spree liegende Bahnhofshalle überhaupt ausheben zu können. Erst ein Drittel der für die Bodenverfestigung nötigen Bohrungen wurden durchgeführt. Die Vereisung selbst dauert noch drei Monate. Um die Jahresmitte 2017 soll mit dem Aushub begonnen werden können. Der Rohbau soll planmäßig 2019 fertig werden. »Der Zeitpuffer ist inzwischen aufgebraucht«, sagt Jörg Seegers, Chef der »Projektrealisierungs GmbH U 5«. »Und vor der Hacke ist es dunkel.« Unliebsame Überraschungen will er nicht ausschließen. Bisher sei man jedoch im Kostenplan.

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