Hauptstadt fordert Verschärfung der Preisbremse

Echte Begeisterung über die derzeitige Ausgestaltung des Instruments kommt in Berlin nur bei Wohnungsverbänden auf, alle anderen wollen es umgestalten

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

»Die Mietpreisbremse hilft uns nicht so, wie sie sollte«, sagt Katrin Lompscher, Stadtentwicklungsexpertin der LINKEN im Berliner Abgeordnetenhaus. »Sie schneidet nur den oberen Rand ab.« Zudem gebe es einfach zu viele Ausnahmen. Neubauten, teure Sanierungen und bereits vorher deutlich überhöhte Mieten sind schließlich von den Regelungen ausgenommen. Das entspricht nach Schätzungen des Berliner Mietervereins (BMV) rund einem Drittel aller Vermietungen der letzten fünf Jahre in der Hauptstadt. Bereits Ende Mai zogen die Berliner Mietervertreter dieses Resümee. Als erstes Bundesland setzte die Hauptstadt das Gesetz bereits zum 1. Juni 2015 um. Das Ergebnis: In 80 Prozent der Fälle überstiegen die inserierten Wohnungen das Niveau des Mietspiegels um über zehn Prozent.

»Die Mietpreisbremse ist zumindest ein guter Anfang«, sagt der Berliner Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) - mit spürbar gebremstem Enthusiasmus. Immerhin bei den 300 000 städtischen und 200 000 genossenschaftlichen Wohnungen werde sie angewendet. Über 1,9 Millionen Wohnungen gibt es insgesamt in der Hauptstadt. »Auch viele private Vermieter halten sich daran«, sagt Stadtentwicklungssenator Geisel dann noch etwas vage.

Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) behauptet dagegen, dass die Mietpreisbremse funktioniere. »Das Mietrecht eignet sich nicht für immer neue Schnellschüsse«, kritisierte die BBU-Vorsitzende Maren Kern bereits im vergangenen Mai. Dort zeigte man sich schon im Vorfeld nicht besonders von den Gesetzesplänen angetan. Dass die Mietendynamik tatsächlich gebremst wurde, bestätigen die Untersuchungen des Berliner Mietervereins. Dort sieht man jedoch den Zusammenhang darin begründet, dass einfach die Grenze der Zahlungsbereitschaft bei den Mietern in der Hauptstadt erreicht sei.

»Die Kritik der Wohnungsunternehmen am Gesetz verstehe ich nicht«, sagt Geisel. Schließlich seien Neubauten davon ausgenommen, insofern könne das auch kein Hemmnis für neue Wohnungen sein. Wichtigster Punkt für eine Verschärfung ist seiner Ansicht nach die verpflichtende Nennung der Vorgängermiete bei einem Neuvertragsabschluss. Dass die Verschärfung durchgesetzt wird, darauf haben Geisel und Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller bereits beim Bundesjustizminister Heiko Maaß (alle SPD) gedrängt.

Die durchschnittliche Neuvertragsmiete in der Hauptstadt liegt bei 9,01 Euro nettokalt pro Quadratmeter. Das mag im Vergleich zu anderen Ballungsräumen niedrig sein, jedoch sind auch die Einkommen unterdurchschnittlich. Einer im Juni vorgestellten Studie des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts im Auftrag einer Bank zufolge stiegen die Mieten in zehn Jahren bis 2014 um 57 Prozent, die Nettoverdienste zeitgleich jedoch nur um 17 Prozent. Damit wurde in Relation zum Einkommen Münchner Mietniveau erreicht.

»Es gibt einfach ein strukturelles Ungleichgewicht zwischen Mieter und Vermieter«, sagt Lompscher. Daher sollte ihrer Ansicht nach ein ordnungsrechtliches Eingreifen nach dem Wirtschaftsstrafrecht möglich sein. »Der entsprechende Paragraf 5 müsste dringend novelliert werden, weil er in der bisherigen Fassung nicht anwendbar ist.« Bisher müssen Mieter nachweisen, dass der Vermieter ein geringes Wohnungsangebot ausnutzt, um überhöhte Mieten zu kassieren. Doch dieser Nachweis ist praktisch nicht möglich.

»Das Mietenproblem hat existenzielle Ausmaße angenommen«, sagt Lompscher. Es sei vor allem wichtig, bestehenden preisgünstigen Wohnraum zu erhalten. Seit Jahren nimmt die Zahl von Sozialwohnungen ab, weil die Bindungen auslaufen. Bis auf eine Ankündigung wurden von Senatsseite kaum Schritte unternommen. Bereits seit geraumer Zeit bringt der Senat auch Initiativen ins Spiel, mit Änderungen bei der Grundsteuer Immobilienspekulationen zu erschweren. Inzwischen liegen entsprechende Vorschläge bei der Finanzministerkonferenz.

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