Amnesty warnt vor rechter »Generation Hoyerswerda«

25 Jahre nach rassistischen Krawallen: Amnesty kritisiert Versäumnisse beim Schutz von Geflüchteten / Bürgermeister: Sind Synonym für Intoleranz

  • Andrea Hentschel
  • Lesedauer: 2 Min.

25 Jahre nach den ausländerfeindlichen Krawallen im sächsischen Hoyerswerda hat Amnesty International Versäumnisse beim Schutz von Flüchtlingen kritisiert. Bis heute gebe es »keine umfassenden Pläne für den systematischen Schutz von Unterkünften und vor rassistischer Gewalt«, erklärte Alexander Bosch von der Menschenrechtsorganisation in Berlin. Am 17. September 1991 hatten Rechtsradikale in der ostsächsischen Stadt ein Ausländerwohnheim angegriffen, in dem Einwanderer aus Vietnam und Mosambik lebten. Später attackierten sie - unter dem Beifall von Anwohnern - ein Asylbewerberheim. Die Polizei bekam die tagelangen Krawalle in Hoyerswerda nicht in den Griff, stattdessen wurden etwa 230 Ausländer aus der Stadt gebracht.

Eine Dokumentation der Ereignisse gibt es im Internet. Die Webdokumentaton informiert aus vielfältigen Perspektiven über Ursachen, Ablauf und Folgen der tagelangen Angriffe auf Migrantinnen und Migranten vom September 1991.

Die dramatisch steigende Zahl rassistischer Straftaten in Deutschland resultiere auch aus den Versäumnissen dieser Zeit, erklärte Bosch. »Aus dem damaligen gesellschaftlichen Klima ist die 'Generation Hoyerswerda' hervorgegangen, bei denen es sich um eben jene Rechtsextreme handelt, die heute die Proteste gegen Flüchtlingsheime anfachen und organisieren.« »Rassismus ist damals wie heute ein tiefgehendes gesellschaftliches Problem, das nicht auf Rechtsextremismus - und damit auf ein Phänomen einiger weniger Rechtsextremer - verengt werden kann«, erklärte der Rassismusexperte von Amnesty. Angesichts der vielen Übergriffe in ganz Deutschland dürfe Rassismus auch nicht als überwiegend ostdeutsches Problem gesehen werden.

Zwar gibt es nach Einschätzung der Menschenrechtsorganisation bei den Sicherheitsbehörden »eine größere Sensibilität« für das Thema rassistische Gewalt als noch Anfang der 90er Jahre. Viele Politiker und Parteien grenzten sich aber nicht konsequent von ausländerfeindlichen Ressentiments, Stereotypen und Vorurteilen ab, kritisierte Bosch.

In Hoyerswerda leben derzeit etwa 720 Asylbewerber, Anfang 2014 wurde dort erstmals wieder ein Asylbewerberheim eröffnet. Um möglichen Vorbehalten entgegenzutreten, hatte die Stadt damals gemeinsam mit etablierten Vereinen das Bürgerbündnis »Hoyerswerda hilft mit Herz« aus der Taufe gehoben. Die ausländerfeindlichen Angriffe sind nach Angaben von Hoyerswerdas Oberbürgermeister Stefan Skora (CDU) »auch heute noch spürbar«.

»Seit dem Herbst 1991 steht bei vielen der Name Hoyerswerda als Synonym für Ausländerfeindlichkeit, Intoleranz und Rechtsextremismus«, so Skora. Die vergangenen 25 Jahre hätten aber auch ein anderes Bild von der Stadt gezeichnet. Es gebe eine »Fülle von Aktivitäten«, die darauf ausgerichtet seien, »Fremdenfeindlichkeit und Ausländerhass keinen Nährboden zu lassen«. Ein Beispiel sei das Bürgerbündnis, das zum Beispiel Begegnungscafés organisiert. AFP/nd

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