Neue Meereswächter im Mittelmeer

Bundesregierung beschloss Teilnahme an der NATO-Operation »Sea Guardian«

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

»Wir bieten kostengünstige Sicherheitslösungen für ein breites Spektrum der maritimen Industrie einschließlich der kommerziellen Schifffahrt, für die Öl- und Gasförderung sowie für private Jachten.« Die Dienstleistungen seien speziell auf die Kundenbedürfnisse zugeschnitten, man halte sich an geltende Gesetze und internationales Recht...

Der Text hätte durchaus als Kabinettsvorlage für die neue Mittelmeer-Initiative der NATO dienen können - doch er beinhaltet nur das Angebot einer bereits seit langem global tätigen Sicherheitsfirma, die gleichfalls »Sea Guardian« heißt. Wenn es da mal nicht urheberrechtliche Probleme gibt ...

Kaum Probleme werden die Abgeordneten des Bundestages haben, wenn sie mit Mehrheit auch dieser Militärmission ihren Seegen geben. Das taten sie schon oft. So kann die Deutsche Marine sehr eindrucksvoll den Inhalt des neuen Weißbuches über die Meere tragen. Im Atlantik und neuerdings immer öfter in der östlichen Ostsee sind deutsche Marineschiffe und Flugzeuge ohnehin präsent. Auch bei langen Ausbildungsfahrten und diversen Manövern. Besonders engagiert man sich im Mittelmeer. Geleitet durch EU- oder NATO-Stäbe.

EUNAVFOR MED oder »Sophia« heißt die derzeit bekannteste Operation. Sie dient der Flüchtlingsabwehr vor der libyschen Küste. Bislang geht es vor allem um die Rettung Schiffbrüchiger, die von Schleppern auf das offene Meer geschickt werden. Zugleich soll man verhindern, dass der auch in Libyen operierende Islamische Staat (IS) Nachschub erhält. Die Ausbildung der libyschen Küstenwache steht demnächst auf dem Programm.

Seit Februar 2016 trägt die NATO - so die offizielle Begründung - zur Erstellung eines Lagebilds für die griechische und türkische Küstenwache sowie die europäische Grenzschutzagentur FRONTEX in der Ägäis bei. Eingesetzt sind die im Mittelmeer schwimmenden Einheiten der Standing NATO Maritime Group 2. Sie werden derzeit von einem deutschen Admiral geführt.

Nach den Terroranschlägen in Paris vom 13. November 2015 hat der Bundestag beschlossen, Frankreich und die internationale Koalition gegen den IS auch militärisch zu unterstützen. Die Fregatte »Augsburg« begleitet daher den französischen Flugzeugträger »De Gaulle«.

Die Operation UNIFIL läuft vor der Küste Libanons. Die Soldaten sollen auch dort Waffenschmuggel unterbinden und die libanesische Marine ausbilden. Eigentlich geht es aber mehr um eine Pufferfunktion zwischen Israel und der Hisbollah.

Und dann war da noch bis vor kurzem die NATO-Operation »Active Endeavour« (OAE). Nach den Terroranschlägen vom 11. Septembers 2001 in den USA beschloss der Nordatlantikrat erstmals den Bündnisfall. Also auch »Active Endeavour«. Bis zu 500 deutsche Soldaten konnten an OEA teilnehmen. Offizielle Aufgabe? Terroristen fangen. Eigentliche Aufgabe? Seeraumüberwachung. Man wollte den zivilen Schiffsverkehr jederzeit im Blick haben. Immer wieder verlängerte der Bundestag die Missionsdauer, obwohl längst vom Bündnisfall keine Rede mehr sein konnte.

Tatsächlich nahm die Deutsche Marine in den vergangenen Jahren nur noch sporadisch an der Operation teil. Vor allem dann, wenn Schiffe auf dem Weg zu anderen Einsätzen vorbei kamen. Im Dezember hatte deshalb der Bundestag die deutsche Beteiligung an OAE nur noch für ein halbes Jahr verlängert.

»Active Endeavour« wird nun von »Sea Guardian« abgelöst. So war es beim Warschauer NATO-Gipfel im Juli vereinbart worden. Das Einsatzgebiet umfasst das Mittelmeer, die Straße von Gibraltar und ihre Zugänge sowie den entsprechenden Luftraum. Der Einsatz in Territorialgewässern erfolge »auf Beschluss des Nordatlantikrats und nach Autorisierung durch den Küstenstaat«.

Über die Aufgaben der neuen Operation muss man nicht lange nachdenken. Im Kabinettsentwurf ist zu lesen, man wolle »einen Beitrag zur Seeraumüberwachung und zum Lagebildaustausch sowie zum maritimen Kampf gegen den Terrorismus und zur Beschränkung des Waffenschmuggels im maritimen Umfeld« leisten. Zugleich werde man alle anderen NATO- und EU-Operationen im Mittelmeer unterstützen. Die Bundeswehr kann dafür bis zu 650 Soldatinnen und Soldaten entsenden. Das ist Theorie, man ist bereits ohne »Sea Guardian« an der Belastungsgrenze.

Die neue NATO-Operation im Mittelmeer soll vor allem Präsenz ermöglichen. Als Ergänzung zu den Schiffen der 6. US-Flotte. Man fühlt sich an den vergangenen Kalten Krieg erinnert. Wie damals stößt es westlichen Strategen übel auf, dass »die Russen« mediterrane Präsenz zeigen. Moskau nutzt den Kampf gegen den IS, um wieder stärker in scheinbar westliche Gefilde vorzudringen. Nicht nur mit Transportern Richtung Syrien. Derzeit gehören mehrere Flugkörperfregatten zum Mittelmeergeschwader. Auch U-Boote wurden gesehen. Demnächst wird der Flugzeugträger »Admiral Kusnezow« samt Gefolge erwartet. Es wird wieder enger und kritischer im krisenbeschwerten Mittelmeerraum.

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