Die Holzmafia ist dick im Geschäft

In Mexiko hat die Ausweitung der Avocado-Plantagen ihre Schattenseiten

  • Knut Henkel, Tancítaro
  • Lesedauer: 3 Min.

Für mehr als einen US-Dollar gehen die Avocados der Sorte »Hass« in den USA über den Ladentisch - Tendenz steigend, denn die warzigen, grün-lila schimmernden Früchte mit dem hohen Fettgehalt und der cremigen Konsistenz sind en Vogue. Auch in Europa und China dürfen in vielen Restaurants Avocadostücke im Salat nicht fehlen. Mexiko als größtes Exportland kommt kaum hinterher mit der Lieferung der nährstoffreichen Frucht. Das führt zu höheren Preisen.

Im Bundesstaat Michoacán, rund 200 Kilometer westlich Mexiko-Stadt, befindet sich das wichtigste Anbaugebiet: das Hochplateau Purépecha, wo rund zwei Drittel der Avocados von Mexiko geerntet werden. Der Ausbau der Plantagen hatte aber negative Effekte, weist Greenpeace Mexiko hin. Da es keine effektive Kon-trolle gebe, seien unter Schutz stehende Waldflächen in Plantagen umgewandelt worden. Laut der Umweltorganisation fehlt es den lokalen Behörden an Konzepten, um Waldschutz und Avocado-Anbau unter einen Hut zu bekommen.

Das belegen auch die nackten Zahlen. So hat sich laut einer Studie des Forschungsinstituts für Umweltgeografie der Autonomen Universität von Mexiko (UNAM) die Anbaufläche für Avocado zwischen 1980 und 2009 auf 106 000 Hektar mehr als verdreifacht. 2016 wird mit einer Ernte von 1,2 Millionen Tonnen Avocados in Michoacán und rund 1,6 Millionen landesweit gerechnet.

Der Boom hat eine weitere Schattenseite. In Gemeinden wie Charapan, Cherán, Los Reyes oder Tancítaro wurden rund 20 000 Hektar Wald abgeholzt. Nicht nur wegen des Avocado-Booms, wie der indigene Kommunalpolitiker Alfredo Mateo Hurtado aus Cherán erklärt: »Tausende Hektar Pinienwald wurden gerodet, um das Holz zu versilbern. Wir haben es mit einer Holzmafia zu tun, hinter der die Kartelle stehen«, klagt der Mann, der die bewaldeten Berge der Region verteidigt, weil Teile davon seinem Volk der Purépecha gehören.

In anderen Regionen wie um die Kleinstadt Tancítaro geht es vorrangig um den Ausbau der Plantagen. Limonen, Mangos und Pfirsiche werden neben Avocados angebaut. Das ist für Avocado-Bauer Reynaldo Bucio Fluch und Segen zugleich: »Steigende Preise und der Ausbau einiger Plantagen haben dazu geführt, dass die Kartelle auf die Region aufmerksam wurden. Mit Schutzgeld und der Besteuerung der Avocado-Exporte fing alles an«, erklärt der knorrige Mann. »Unten, etwas weiter südlich vom Platz vor der Kirche, stehen die Reste einer Avocado-Packstation. Davor zwei ausgebrannte Sattelschlepper. Da wollte einer nicht zahlen«, sagt Bucio.

Der 63-Jährige hat 2009 einen Sohn verloren und danach gezahlt. Bis sich die Situation im November 2013 wandelte. »Damals konnten wir uns kaum frei in Tancítaro bewegen«, erklärt Bucio, was José Alfredo Estrada von der Bürgerwehr des Ortes bestätigt. Die sogenannten Autodefensas (Selbstverteidiger) sorgen mit Patrouillen und Kontrollposten an den Ortseingängen seit November 2013 für etwas Sicherheit. Seither trauen sich die im Auftrag der Kartelle agierenden Banden nicht mehr in die Stadt. Doch das kann sich ändern, wie Beispiele aus benachbarten Gemeinden zeigen.

Gehen ist für Reynaldo Bucio aber keine Alternative. »Hier habe ich zu viel verloren. Der Avocadoboom tröstet mich darüber nicht hinweg«, grummelt er leise. Ihm hat die grüne Frucht kein Glück gebracht.

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