Mit Tuch auf dem Kopf

Studie: Deutliche Nachteile durch Schleier bei Jobsuche

  • Elsa Koester
  • Lesedauer: 3 Min.

Frauen mit Kopftuch werden auf dem deutschen Arbeitsmarkt stark diskriminiert. Das ergab eine aktuelle Studie des Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit (IZA). Die Ökonomin Doris Weichselbaumer (Universität Linz) untersuchte in einer umfangreichen Feldforschung die Rückmeldungen von Unternehmen auf Bewerbungsschreiben dreier fiktiver Frauen mit exakt gleicher Qualifikation und kam zu dem Ergebnis: Frauen mit türkischem Namen und Kopftuch müssen viermal mehr Bewerbungen schreiben, um überhaupt zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden, als Frauen mit deutschem Namen und ohne Kopftuch.

Für die Studie legte die Forscherin drei Identitäten an: Sandra Bauer (ohne Kopftuch), Meryem Öztürk (ohne Kopftuch) und Meryem Öztürk (mit Kopftuch, das die Kinnpartie und den Hals frei lässt). Unter diesen Identitäten verschickte die Forscherin über ein Jahr fast 1500 fiktive Bewerbungen an Unternehmen in Deutschland. Sandra Bauer wurde in 18,8 Prozent der Fälle zu einem Vorstellungsgespräch geladen, Meryem Öztürk nur in 13,5 Prozent.

Bereits vor zwei Jahren war eine Studie des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration zur Benachteiligung migrantischer Bewerber in Deutschland zu ähnlichen Ergebnissen gekommen. Die Forscher hatten jeweils zwei Bewerbungen um Ausbildungsplätze für Mechatroniker und Bürokaufleute an 1794 Unternehmen geschickt: einmal mit deutschem, das andere Mal mit türkischem Namen, beide Male männlich. Hier lag der Unterschied der Erfolgsquote zwischen 20,2 Prozent und 14,6 Prozent.

In der aktuellen Studie des IZA testete die Forscherin nicht nur die Wirkung der Namen, sondern auch des Kopftuchs als Zeichen dafür, dass die Bewerberin den Islam praktiziert. Dafür ließ sie den Namen gleich, Meryem Öztürk schickte jedoch ein Bewerbungsfoto mit Kopftuch mit. Die Rate für eine positive Antwort sank auf 4,2 Prozent. Erst nach vierfach häufigeren Bewerbungen als bei Sandra Bauer kam bei ihr ein Bewerbungsgespräch zustande, bei absolut gleicher Qualifizierung.

Diese Diskriminierung nahm weiter zu, je größer das geforderte Qualifikationsniveau war. Bei einer Stelle als Sekretärin musste die Kopftuchträgerin 3,5 Mal häufiger Bewerbungen schreiben, bei einer Stelle in der Bilanzbuchhaltung hingegen 7,6 Mal häufiger. Der Grund könnte der Studie zufolge nicht die Sorge über mangelnde Deutschkenntnisse sein. »Da Ausbildung und Arbeitserfahrung identisch mit denen der nicht-migrantischen Versuchsperson waren, muss es für die Arbeitgeber offensichtlich gewesen sein, dass die Bewerberinnen flüssig Deutsch sprachen«, so die Forscherin.

In ihrem Fazit schreibt Weichselbaumer, das Niveau der Diskriminierung sei eines der höchsten je gemessenen in der Diskriminierungsforschung, man müsse darauf reagieren: »Im Westen wird das Augenmerk stets auf die Situation von Frauen in muslimischen Kulturen gerichtet, selten jedoch beschäftigen wir uns mit der Diskriminierung von Musliminnen durch die westliche Gesellschaft.« Wenn angesichts der neuen Zuwanderung nach Deutschland die Integration gelingen solle, müsse die Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt abgeschafft werden.

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