Desaströse Bilanz
Guido Speckmann über den Umgang der EU mit Geflüchteten
Der griechische Minister hat Recht: Die EU trägt Mitschuld an den Krawallen in den griechischen Lagern auf Lesbos und anderen Inseln. Überfüllte Aufnahmelager sind ein Nährboden für Gewalt. Für den Beweis sorgte die EU-Kommission höchstselbst am Mittwoch. Sie legte eine Bilanz des vor einem Jahr gefassten Umverteilungsbeschlusses vor. Das Ergebnis ist ein Desaster: Im September letzten Jahres wurde festgelegt, dass 160 000 Asylsuchende, hauptsächlich aus Griechenland und Italien, in andere EU-Länder gebracht werden sollten. 5651 wurden tatsächlich bis dato von Mitgliedsstaaten aufgenommen. Das ist so gut wie nichts. Um so hilfloser klang Vizekommissionspräsident Frans Timmermans, als er die EU-Staaten zum Handeln ermahnte.
Positive Ergebnisse hatte die EU-Kommission indes zum EU-Türkei-Pakt mitzuteilen: Die Zahl der von der Türkei aus nach Griechenland einreisenden Geflüchteten sei drastisch reduziert worden. Beide Bilanzen zeichnen das Bild der gegenwärtigen EU-Flüchtlingspolitik. Das Motto lautet: Bloß keine Migranten in die Festung lassen. Und wenn es doch jemand schafft, überlassen wir sie in Lagern ihrem Schicksal. Griechenland und Italien als Mittelmeeranrainer haben schlicht Pech gehabt. Von der Gemeinschaft, die vorgibt, sich von den stets beschworenen europäischen Werten - Demokratie und Menschenrechte - leiten zu lassen, bleibt in Zeiten des grassierenden Nationalismus und Rassismus wenig übrig.
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