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Runder Tisch soll Tuifly aus der Krise holen

Auch am Freitag gab es wieder viele Flugausfälle

  • Lesedauer: 3 Min.

Hannover. Nach massiven Flugausfällen beim Ferienflieger Tuifly und zum Teil auch seinem Partner Air Berlin schaltet sich die Politik ein. Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) lud für Freitagabend zu einem »Runden Tisch«. Mit dabei sein sollen unter anderem Vertreter der Geschäftsführung der Gewerkschaft ver.di sowie der Pilotenvereinigung Cockpit, sagte Ministeriumssprecherin Sabine Schlemmer-Kaune.

Die Kritik an der Haltung der Tuifly, betroffene Passagiere mit Hinweis auf höhere Gewalt nicht zu entschädigen, nahm am Freitag zu. »Diese Argumentation ist für uns nicht nachvollziehbar: wir erkennen nicht, warum die Passagiere für Flugausfälle haftbar gemacht werden«, sagte die Ministeriumssprecherin, die Tui zu mehr Kulanz riet. Eine Konzernsprecherin hatte am Vortag betont: »Die massenhaften und äußerst kurzfristigen Krankmeldungen sind ein außergewöhnlicher und nicht vermeidbarer Umstand im Sinne von höherer Gewalt.«

Kritik kam auch vom Tourismusforscher Torsten Kirstges, der den Tuifly-Mutterkonzern Tui vor einem Imageschaden warnte. Mit Blick auf die Entschädigungsfrage sagte er der dpa, er gehe davon aus, dass die Gesellschaft entsprechende Prozesse verlieren werde und dann doppelt am Pranger stehe. Demnach liegt die Personalausstattung in der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers.

Bisher habe man rund 500 Ansprüche auf Ausgleichszahlung verärgerter Kunden auf dem Tisch, sagte der Geschäftsführer des Flugrechteportals Flightright, Philipp Kadelbach, dem »Südkurier«. Sollte es weiter zu Flugausfällen kommen, rechne man innerhalb kurzer Zeit mit 1500 bis 2000 weiteren Anträgen. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat geschädigten Urlaubern geraten, Schadenersatzansprüche anzumelden. Er könne allen Kunden nur raten, ihre Ansprüche geltend zu machen. Mehr Kulanz fordern auch die Reisebüros, die für tausende Urlauber Stornierungen oder Umbuchungen vornehmen müssen, ohne dass der Mehraufwand vergütet wird.

»Wir versuchen alles, um die Auswirkungen auf die Gäste so gering wie möglich zu halten«, sagte Tuifly-Aufsichtsratschef Henrik Homann der »Bild« vom Freitag. »Wir wissen, dass das leider momentan nicht bei allen gelingt.« Piloten müssten keine Einbußen durch neue Verträge fürchten. »Die Firma bleibt bestehen, die Tuifly behält ihren Sitz in Deutschland, die Tarifverträge bleiben bestehen.« Vor einer Woche wurde bekannt, dass Tuifly in eine Holding mit Etihad integriert werden soll. Beschäftigtenvertreter befürchten Jobverluste. Seither führen kollektive Krankmeldungen der Besatzungen zu Flugausfällen und Verspätungen. Betroffen ist auch Air Berlin. Dort drohen weitere Ausfälle, ein Drittel der Tui-Flotte fliegt für die Berliner.

Niedersachsens Wirtschaftsminister will darauf hinwirken, dass die für Ende Oktober geplante Entscheidung über die Holding verschoben wird, so die Sprecherin. »Das Treffen soll deeskalierend wirken und den Druck aus der Situation nehmen; es geht darum, dass die Akteure sich austauschen über ihre Ängste und Nöte.« Tuifly versucht, mit gemieteten Maschinen und Crews möglichst viele Flugausfälle aufzufangen.

Auf Unverständnis stießen die Tuifly-Turbulenzen auch an deren Heimatbasis Hannover. Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer der niedersächsischen Metallarbeitgeber, sprach von einer »Form des versteckten Arbeitskampfes« und meinte, Krankheit werde als Druckmittel benutzt. Das schade der Glaubwürdigkeit derer, die wirklich erkrankt seien. dpa/nd

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