Peking rollt den Renminbi nach London

China und Großbritannien wollen aus dem Brexit für sich das Beste machen

  • Werner Birnstiel
  • Lesedauer: 3 Min.

Bemerkenswert intensiv werden nach dem Treffen von Chinas Präsident Xi Jinping mit der britischen Premierministerin Theresa May beim G20 - Gipfel in Hangzhou Anfang September nun Mittel und Wege erkundet, wie die Beziehungen zwischen beiden Ländern nach dem Brexit-Votum gestaltet werden können. 2016 markiere den Beginn einer »Goldenen Ära« in der Zusammenarbeit, 2017 werde dementsprechend der 45. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen gewürdigt. China sei bereit, die »strategische Partnerschaft für das 21. Jahrhundert« mit Großbritannien auf eine höhere Stufe zu führen. Das gegenseitige politische Vertrauen müsse aber vertieft werden und zu Stabilität und Entwicklung in den Beziehungen führen, so Xi.

London reagierte rasch und zog seinen derzeit stärksten Trumpf aus dem Ärmel. Unmittelbar nach dem Treffen Xi-May besuchte der Lord Mayor of London und Vorsitzende der City of London Corporation, Jeffrey Mountevans, der Vorsteher der Londoner Finanzwelt also, Chinas politische und Wirtschaftszentren Peking, Shanghai, Tianjin und - natürlich - Hongkong, ehemalige »Kronkolonie« und Lieblingsmetropole der Briten in Asien.

Lord Mountevans bekräftigte, was beiden Seiten wichtig ist: Das Weltfinanzzentrum London wird sich wirtschafts- und finanzpolitisch Peking weiter öffnen und noch wirkungsvoller als Internationalisierungszentrum für den Renminbi (RMB) fungieren. Zusammen mit Peking und Hongkong werde alles getan, um die Internationalisierung der chinesischen Währung voranzutreiben. An Wert gewinnt diese Zusage für beide Seiten vor allem politisch, aber auch finanztechnisch, denn der RMB wurde am 1.Oktober in den Währungskorb des IWF aufgenommen und gehört damit zu den fünf so genannten Weltreservewährungen.

So ändern sich die Zeiten - nun präsentiert sich das Vereinigte Königreich (UK) als Anbieter im Reich der Mitte. Das umso mehr, da der Warenverkehr zwischen beiden Ländern nicht sonderlich entwickelt ist. Vor allem Großbritanniens ständiges Handelsdefizit müsste abgebaut werden. Im Jahre 2015 standen bei 79,96 Milliarden Euro Warenaustausch 55,16 Milliarden Einfuhr aus China nur 24,8 Milliarden Ausfuhr gegenüber. Zugesagt wurde auch britische Unterstützung für das Projekt Neue Seidenstraße.

Peking kann all das gelassen sehen, denn die EU ist und bleibt mit Abstand wichtigster politischer und Wirtschaftspartner. Zugleich stärkt der Brexit Chinas geopolitische Position gegenüber der EU, versucht London doch nun nach Kräften, parallel zur finanzpolitischen Zusammenarbeit ebenso chinesische Investitionen ins Land zu holen, bis 2015 waren das 46,5 Milliarden Euro, Tendenz steigend.

Eine Nagelprobe ist auch das grüne Licht der Briten vom vergangenen Donnerstag für die Beteiligung Chinas am Bau des Atomkraftwerks Hinkley Point in Südwest-England mit 6,9 Milliarden Euro - bisher kalkulierte Gesamtkosten 20,8 Milliarden Euro. Damit exportiert China erstmals seine Atomtechnologie in ein hoch entwickeltes Industrieland.

Politisch schaut Peking aber noch weiter: Theresa May wird eine pragmatische Politik zugetraut, so dass sie trotz komplizierter Brexit-Probleme die politische Stabilität im Vereinigten Königreich zu erhalten vermag und bei einem Wahlsieg bis 2025 im Amt bleiben würde. Der Labour-Partei hingegen wird ein Wahlsieg 2020 nicht zugetraut.

Alles in allem befindet sich Peking in einer komfortablen Situation, es kann je nach Sachlage fordern und fördern. Ein gern gesehener Nebeneffekt wird es sein, dass es in Hongkong viel weniger Bestrebungen als bisher geben wird, sich an britischen Demokratievorstellungen auszurichten. London will hier Geschäfte machen. Das braucht Stabilität.

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