Linke Hackergruppe greift türkische Regierung an

Reaktion auf Forderung von Freilassung linker AktivistInnen: Zensurbehörde lässt Clouddienste sperren

  • Lesedauer: 4 Min.

Als Reaktion auf die Ankündigung einer linken Hackergruppe, sensible Daten zu veröffentlichen, hat die türkische Regierung alle großen Clouddienste sperren lassen. Seit dem Wochenende hätten türkische Internet Service Provider unter anderem die Dienste von Dropbox, Google Drive, Microsofts OneDrive und das bei Entwicklern beliebte Github gesperrt.

Wie die Online-Plattform »The Daily Dot« berichtete, hätten AktivistInnen der marxistischen Hackergruppe RedHack bereits Ende September mitgeteilt, die persönlichen Email-Accounts des türkischen Energieministers und des Schwiegersohns von Premier Erdogan, Berat Albayrak, gehackt zu haben. Sie drohten mit der Veröffentlichung zahlreicher Datensätze, wenn die Türkei nicht nachgebe und linke AktivistInnen, darunter auch Mitglieder der kurdischen HDP, frei ließen.

Bereits vor einigen Wochen hatte die Gruppe mit der Veröffentlichung des Hacks begonnen, woraufhin zunächst der Chef der türkischen Mediengruppe Dogan, Mehmet Ali Yalcindag, am 30. September zurücktrat. Zwar bestritt er in einer Mitteilung die Authentizität der E-Mails, erklärte jedoch seinen Rücktritt, um »das Ansehen der Dogan-Gruppe nicht zu beschädigen«.

Offenbar versucht die türkische Zensurbehörde nun durch die Sperrung der Clouddienste durch die Provider die Verbreitung der Daten zu unterbinden, wie die Monitoring-Seite »Turkey Blocks« am Wochenende bestätigte. Die Datensätze sollen nach Angaben der AktivistInnen belegen, wie die türkische Regierung mit einer 6.000 Personen starken »Troll-Armee« in sozialen Medien gegen Kritik vorgeht.

Hierbei handele es sich offenbar um freiwillige User, die auf Geheiß der Regierung in Ankara ganze Kommentarspalten, beispielsweise auf Facebook, mit Spam-Post überschwemmen oder schlicht Falschmeldungen verbreiten. Die Datenmenge soll rund 17GB groß sein und mehr als 57.000 Emails von April 2000 bis September diesen Jahres beinhalten. Ein Gericht bestätigte bereits die Authentizität der geleakten Daten.

In dem Kommunikationsverkehr befindet sich auch eine Korrespondenz zwischen Energieminister Berat Albayrak und dem zurückgetretenen Yalcindag. Er leitete die Dogan-Mediengruppe seit vergangenem Jahr. Der Gruppe gehören insbesondere die Zeitung »Hürriyet« und die Fernsehsender CNN-Türk und Kanal-D an.

Der Medienkonzern gilt als unabhängig von der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP. In den Yalcindag zugeschriebenen E-Mails an Regierungspolitiker zeigt er sich aber unzufrieden mit dem »Hürriyet«-Chefredakteur Sedat Ergin und kündigt an, ihn zu ersetzen.

Die Hackergruppe RedHack bezeichnet sich selbst als marxistisch-leninistisch orientierte Gruppe, die nach eigenen Angaben unter anderem für digitale Angriffe auf die türkische Polizei, das Militär, den Telekommunikationskonzern Türk Telekom sowie den türkischen Inlandsgeheimdienst MIT verantwortlich sein soll. Die seit rund 20 Jahren bestehende Gruppe veröffentlichte in der Vergangenheit bereits des öfteren sensible Dateien von regierungstreuen Beamten, die beispielsweise gegen Regierungskritiker vorgegangen waren.

Die Veröffentlichungen kommen zu einer Zeit, da zunehmend Sorge um die Pressefreiheit in der Türkei besteht. In der Folge des gescheiterten Militärputsches vom 15. Juli sind zahlreiche Medien unter Druck geraten oder ganz geschlossen worden, zudem wurden zahlreiche kritische Journalisten festgenommen. Die Dogan-Mediengruppe hatte Präsident Recep Tayyip Erdogan während des Umsturzversuchs entschieden unterstützt.

In der Vergangenheit hatte die Regierung in Ankara immer wieder den Zugang zu Online-Diensten blockiert. Anfang diesen Jahres etwa wurden Twitter und Facebook nach einem Anschlag durch eine Autobombe in der türkischen Hauptstadt blockiert.

Zudem war es nicht das erste Mal, dass Hacker Daten über die Missstände im Land veröffentlichen. Erst im April wurden Informationen von rund 50 Millionen Türken, darunter auch die des Premiers Erdogan, geleakt. Daten, wie Name, Geburtstag und Adresse waren damals seit längerer Zeit ungeschützt auf Servern des zentralen Melderegisters zu finden. Hacker hatten diese abgegriffen, in eine Klartexttabelle umgewandelt und veröffentlicht.

Im März 2014 erschien ein Audioclip auf Youtube, der Premier Erdogan massive Korruption anlastete und sich rasant über Twitter verbreitete. Die Regierung sperrte daraufhin den Kurzmitteilungsdienst für längere Zeit. fbr/mit AFP

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