Gabriel verteidigt CETA vor Bundesverfassungsgericht

Mehr als 330.000 Unterschriften gegen Abkommen / Linksfraktionsvize Ernst bemängelt fehlende Beteiligung bei Handelsabkommen

  • Lesedauer: 4 Min.

Update 14.00 Uhr: Gabriel verteidigt Handelsabkommen CETA vor dem Bundesverfassungsgericht
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat das geplante europäisch-kanadische Handelsabkommen CETA vor dem Bundesverfassungsgericht verteidigt. Im Gegensatz zu den Behauptungen der Kläger sei der Bundestag ständig mit der Vertragsgestaltung befasst gewesen und Ceta insoweit auch demokratisch legitimiert, sagte Gabriel während der Verhandlung am Mittwoch in Karlsruhe.

Die Verfassungshüter entscheiden allerdings noch gar nicht, ob das Abkommen gegen das Grundgesetz verstößt. Die Eilklagen von rund 200.000 Bürgern und der Linksfraktion im Bundestag zielen zunächst darauf, dass Karlsruhe den deutschen Vertretern im EU-Ministerrat aufträgt, bei der Abstimmung über die vorläufige Anwendung des Abkommens am kommenden Dienstag mit »Nein« zu stimmen.

Die CETA-Klagen

CETA soll die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den EU-Staaten und Kanada erleichtern und etwa Zölle und andere Handelshemmnisse abbauen. Die EU-Kommission hatte Ende September zugesichert, den Vertrag durch eine Zusatzvereinbarung zu erweitern.

Die Schwerpunkte der Klagen zielen zum einen auf die umstrittenen Investitionsgerichte. Sie sollen im Streit zwischen internationalen Großkonzernen und einer nationalen Regierung etwa um investitionshemmende Umwelt- oder Verbraucherschutzstandards entscheiden.

Zum anderen greifen die Kläger die große Machtbefugnis des zentralen CETA-Führungsgremiums an, des sogenannten Gemischten Ausschusses. Dieses soll mit Vertretern der EU und Kanadas besetzt sein, nicht aber mit Parlamentariern aus den EU-Mitgliedstaaten.

Am 18. Oktober sollen alle EU-Mitgliedstaaten den Text auf einem Ratstreffen annehmen. CETA soll dann am 27. Oktober auf dem EU-Kanada-Gipfel unterzeichnet werden. Agenturen/nd

Die Verfassungshüter müssen deshalb in einer sogenannten Folgenabwägung die Nachteile zu gewichten, die einträten, wenn die vorläufige Anwendung von CETA nicht gestoppt würde, die Klagen aber später in der Hauptsacheverfahren Erfolg hätten. Oder umgekehrt, welche Nachteile es hat, wenn der CETA-Prozess nun gestoppt würde, die eigentliche Klage sich aber später als erfolglos erweist. Das Gericht will wegen der Eilbedürftigkeit seine Entscheidung bereits am Donnerstag verkünden.

Mehr als 330.000 Unterschriften gegen Abkommen

Berlin. CETA-Kritische Nichtregierungsorganisationen haben am Mittwochmorgen in Berlin dem Bundeskanzleramt mehr als 340.000 Protest-Unterschriften gegen das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen CETA übergeben. Die Petition fordert Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) auf, gegen das Abkommen zu stimmen und weder dessen vorläufige noch endgültige Anwendung zu akzeptieren. Da Gabriel nicht bereit gewesen sei, die gesammelten Unterschriften persönlich entgegen zu nehmen, habe man sie direkt zum Kanzleramt gebracht, erklärten die InitiatorInnen. Am Mittwoch wollte das Kabinett das weitere Vorgehen der Bundesregierung in Bezug auf CETA beschließen. Das Bundesverfassungsgericht verhandelte außerdem am Mittwoch mehrere Eilanträge gegen das Freihandelsabkommen.

Die Unterschriftenkampagne unter dem Motto »Nein zu CETA - weder vorläufig noch endgültig« wurde Mitte August vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), der Online-Plattform Campact, der Verbraucherorganisation foodwatch, der Bürgeraktion Mehr Demokratie und Greenpeace gestartet. Das vorliegende Handelsabkommen erfülle - auch mit der am Dienstag bekanntgewordenen Zusatzvereinbarung - nicht die der hohen Standards, die an ein solches Abkommen gestellt werden, kritisieren die Organisationen. Gefährdet seien Vorsorgeprinzip sowie Umwelt- und Sozialstandards, zudem werde die demokratische Mitbestimmung durch den geplanten CETA-Rat und eine Paralleljustiz in Form eines Investitionsgerichtshofs in Frage gestellt.

Der LINKE-Bundestagsabgeordnete Klaus Ernst kritisierte derweil vor dem Bundesverfassungsgericht die fehlende Beteiligung der Zivilgesellschaft bei den Verhandlungen. Auch das Parlament sei nicht ausreichend beteiligt gewesen, sagte der stellvertretende Linksfraktionschef als einer von mehreren Beschwerdeführern am Mittwoch in Karlsruhe. Es bestehe die Gefahr, dass soziale und ökologische Standards abgesenkt werden. Auch könnten staatliche Regulierungsmaßnahmen wegen drohender Schadensersatzklagen künftig ausbleiben.

Mit ihren Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht wollen die Antragsteller, darunter die LINKEN-Bundestagsfraktion, »Mehr Demokratie« und Foodwatch verhindern, dass der Vertrag zwischen der EU und Kanada in Teilen vorläufig in Kraft tritt, noch bevor der Bundestag zugestimmt hat. Dazu soll das Gericht die Bundesregierung verpflichten, die Unterzeichnung durch ein Nein im EU-Ministerrat zu blockieren. Die Entscheidung der Karlsruher Richter soll schon am Donnerstag verkündet werden. Die EU stimmt in der kommenden Woche über CETA ab. Hinter den Eilanträgen gegen eine vorläufige Anwendung des Vertrags stehen fast 200.000 Bürger.

Zum Verhandlungsauftakt am Mittwoch betonte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle, dass CETA »ein sehr komplexes Abkommen« sei. »Befürworter und Gegner des Abkommens neigen häufig zu Vereinfachungen«, sagte er. Die verfassungsrechtliche Bewertung von CETA habe »der Komplexität des Gegenstandes jedoch hinreichend Rechnung zu tragen«.

Voßkuhle wies darauf hin, dass die Rechtsfragen abschließend erst zu einem späteren Zeitpunkt im Hauptsacheverfahren geklärt werden könnten. Im Eilverfahren sei ein strenger Maßstab anzulegen. Das gelte insbesondere, wenn es um eine Maßnahme mit völkerrechtlichen und außenpolitischen Auswirkungen gehe. Es werde deshalb ganz zentral um die Frage gehen, ob die Bundesrepublik die vorläufige Anwendung nach einer endgültigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gegen Ceta wieder beenden könne. Agenturen/nd

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