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Deutschland schafft sich wieder mal nicht ab

Der Ökonom Thomas Straubhaar streitet engagiert gegen demografische Katastrophenszenarien

  • Stephan Fischer
  • Lesedauer: 3 Min.

Der demografische Wandel taucht als Schreckgespenst und Folie für düstere Zukunftsprognosen immer wieder auf - um dann doch wieder abgesagt zu werden, wie es auch der Titel des vorliegenden Bandes des Ökonomen Thomas Straubhaar nahelegt: Oswald Spenglers »Abendland« ging nicht unter, weil der letzte Abendländer ausstarb - sondern weil es sich selbst in die Schützengräben des Ersten Weltkriegs jagte. Und im Frühjahr 1975 fragte der »Spiegel«: »Sterben die Deutschen aus?« 2016 bevölkern so viele wie nie zuvor das Land.


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* Thomas Straubhaar: Der Untergang ist abgesagt. Wider die Mythen des demografischen Wandels. Edition Körber-Stiftung. 206 S., geb., 18 €.


Straubhaar legt sich engagiert »wider die Mythen« des demografischen Wandels ins Zeug. Die dramatische Entwicklung seit 2015 ist dabei Dreh- und Angelpunkt. Seitdem erlebt Deutschland laut Straubhaar eine »demografische Revolution«: Bestimmten vorher alternde Menschen, schrumpfende Städte und die sinkenden Bevölkerungszahlen die Diskussion, haben Geflüchtete die Zahl der in Deutschland lebenden Menschen schlagartig ansteigen lassen: Plötzlich geht es um Wohnungsnot, Engpässe in der Verwaltung, fehlende Kitaplätze.

So radikal sich plötzlich die Situation ändern kann, so gelassen sollte man angesichts der demografischen Auswirkungen bleiben: Grundlegende Trends kann auch eine massenhafte und dauerhafte Zuwanderung nicht umkehren, wie Straubhaar im ersten Teil seines Buchs erläutert: Die Bevölkerungszahl des Landes wird im laufenden Jahrhundert schrumpfen, die Bevölkerung im Schnitt älter und dabei heterogener, das Land wird leerer, die Städte dagegen voller. Allein schon durch sogenannte Echo-Effekte: Die potenziellen Eltern der Kinder von morgen fehlen schon heute.

Straubhaar leugnet also keinesfalls den demografischen Wandel - er plädiert stattdessen dafür, sich angesichts dessen nicht in alarmistische oder gar Katastrophenszenarien zu verlieren. Anhand vieler (seiner Ansicht nach) »Mythen« macht er fest, dass er als Entwicklung zwar kaum zu steuern ist - man aber mit ihm umgehen und bestenfalls Vorteile aus ihm ziehen kann. Am Beispiel der Alterung lässt sich dies gut nachvollziehen. Die Vergreisung der Bevölkerung ließe sich nicht aufhalten, so Straubhaar. Aber gerade deshalb müsse jetzt über Renten, andere Arbeitszeitmodelle nachgedacht werden. Und ist die längere Lebenszeit nicht am Ende ein Segen für die Menschen, ein ureigenes Ergebnis des Fortschritts?

Leicht verständlich plädiert Straubhaar dafür, angesichts der nicht zu beeinflussenden Entwicklungen nicht in Panik zu verfallen - sondern lieber dort klug zu gestalten, wo dies Politik und Gesellschaft möglich ist. Dann könne auch der Untergang wieder einmal abgesagt werden. Oder, um mit dem Autor zu schließen: »Der demografische Wandel wird Deutschland nicht in seiner Existenz bedrohen. Aber er wird auch Chancen für Veränderungen schaffen, die sich positiv auf die Lebensqualität der Menschen auswirken werden.«

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