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Die Stimme der Abgeschriebenen

Die Linkspartei-Vorsitzenden bringen das soziale Thema in die Debatte über Rot-Rot-Grün

Die Linkspartei hat schon schlechtere Zeiten erlebt in diesem Jahr. Da waren vor allem zwei ziemlich missratene Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern, die schwer auf die Stimmung der Sozialisten gedrückt haben. Aber dann kam die Wahl zum Abgeordnetenhaus in Berlin mit einem ordentlichen Ergebnis, das der LINKEN die Tür zu rot-rot-grünen Koalitionsgesprächen geöffnet hat. Und es gab den einen oder anderen Umfrage-Lichtblick, was Ko-Bundestagsfraktionschef Dietmar Bartsch auf dem Kurznachrichten-Kanal Twitter frohlocken ließ: »LINKE 12% gab's auch lange nicht.«

Schließlich in dieser Woche das einigermaßen aufsehenerregende Gespräch von 90 Bundestagsabgeordneten aus den Fraktionen von SPD, Grünen und LINKEN über Möglichkeiten einer politischen Kooperation im Bund. Die Erörterung über Mitte-links-Perspektiven sollen im Dezember fortgesetzt werden, und dann beginnt auch bald das Wahljahr.

In diese Stimmungslage hinein melden sich die beiden Vorsitzenden der Linkspartei zu Wort. Katja Kipping und Bernd Riexinger spielen in einem Beitrag für das »nd« unter dem Titel »Wir sind mehr, als wir denken. Druck machen für einen grundlegenden Politikwechsel« (vollständiger Text), auf die rot-rot-grüne Kontaktpflege am Dienstagabend in Berlin an. Sie machen deutlich, dass die Linkspartei mit klaren Forderungen in weitere und irgendwann wohl auch konkretere Debatten über eine mögliche Beteiligung an einer rot-rot-grünen Bundesregierung nach der nächsten Bundestagswahl geht. Die LINKE, schreiben Kipping und Riexinger, bleibe »die soziale Stimme für all jene in unserem Land, die nicht mehr gehört werden und die von den etablierten Parteien abgeschrieben werden«. Das ist - unausgesprochen - wohl auch ein Angebot an jene Wähler, die zuletzt ihrem Protest und Unmut mit einer Wahlentscheidung rechts außen, bei der AfD, Luft gemacht haben.

Die beiden Parteichefs zählen »Verbesserungen und Reformprojekte« auf, die die Linkspartei »auf jeden Fall durchsetzen« wolle, »falls wir uns an einer Regierung beteiligen«: unter anderem Bekämpfung der Altersarmut, Anhebung des Rentenniveaus, Einführung einer Mindestrente und Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro. Weitere Themen sind die Besteuerung von Millionenvermögen, eine Mindestsicherung ohne Sanktionen, eine solidarische Gesundheitsversicherung, mehr sozialer Wohnungsbau sowie der Verzicht auf Auslandseinsätze der Bundeswehr.

Damit sind, wenn man so will, rote Haltelinien in die weitere Diskussion über Rot-Rot-Grün im Bund eingezogen. Sie markieren teils deutliche Unterschiede zu SPD und Grünen, die unter den R2G-Interessenten noch für allerhand Gesprächsstoff sorgen werden. Kipping und Riexinger verweisen darauf, dass es um mehr geht »als um ein gutes Ergebnis für die LINKE«. Gebraucht werde »ein Bündnis der sozialen Gerechtigkeit und der Solidarität aller Menschen, die sich von der Großen Koalition nicht vertreten fühlen«. Parlamentarisch und außerparlamentarisch soll »das Lager der Solidarität gegen soziale Kälte und rechte Hetze in der Gesellschaft« gestärkt werden.

Die Parteichefs stellen klar, dass die LINKE zunächst ihre Wahlstrategie bestimmt und erst danach die Spitzenkandidaturen. Wenngleich es bis zur Bundestagswahl nur noch ein knappes Jahr ist, sehen Kipping und Riexinger keinen Grund zur Hast in der Personaldiskussion: »Wir müssen nicht die erste Partei sein, die ihr Spitzenteam bestimmt.« Damit spielen sie auf den kürzlich aufgeflammten Streit darüber an, ob die Linkspartei 2017 mit dem seit einem Jahr amtierenden Fraktionschef-Duo Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch an der Spitze in den Wahlkampf geht oder mit einem Quartett. Bei letzterer Variante, die nicht unumstritten ist, wären wohl auch Kipping und Riexinger selbst mit im Boot. Das wird aber in ihrem Text nicht konkretisiert; es heißt dazu, in der LINKEN gebe es »eine Anzahl von Persönlichkeiten, die in der Öffentlichkeit und an der Basis auf hohe Akzeptanz stoßen«. Sie alle wollten mit den Menschen »für soziale Gerechtigkeit kämpfen«. Soweit die grundlegende und sicher unumstrittene Gemeinsamkeit. Für die Differenzen - nicht nur in der rot-rot-grünen Debatte, sondern auch in der Linkspartei selbst - wird in den nächsten Monaten noch genügend Zeit und Raum sein.

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