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Mit Anreizen gegen Steuertricks

Die EU-Kommission schlägt gemeinsame Grundlage zur Besteuerung von Unternehmen vor

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.

Die EU-Kommission hatte für die Journalisten am Mittwochvormittag etwas ganz Besonderes vorbereitet. Das nicht ganz dreiminütiges Video hatte eine mit seichten Jazzklängen unterlegte Botschaft: Die EU-Körperschaftssteuerreform ist gut für die Bürger, sie ist gut für die kleinen Unternehmen sowie die großen Konzerne. Und sie ist gut für Europa. Kurz: Sie ist gut für alle. Vielleicht war der Werbeclip aber allein schon wegen des sperrigen Titels nötig: Gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage.

»Die Finanzminister sollten dieses ehrgeizige, zeitgemäße Paket unvoreingenommen betrachten, da es ein solides Steuersystem schaffen wird, das an die Anforderungen des 21. Jahrhunderts angepasst ist«, pries jedenfalls EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici die Sache an. Dabei ist es bereits der zweite Versuch. Schon 2011 gab es einen Anlauf für die Schaffung einheitlicher Faktoren zur Besteuerung von Unternehmen. Dazu zählt etwa die Berechnung der Kosten für Mitarbeiter oder wie Vermögenswerte veranschlagt werden.

Skandale wie die Luxleaks-Affäre um dubiose Steuerdeals Luxemburgs mit multinationalen Konzernen hatten die Brüsseler Behörde in den letzten Monaten unter Druck gesetzt, die Initiative neu aufzulegen. Schließlich entgehen den EU-Staaten jährlich zwischen 50 und 70 Milliarden Euro durch die Steuertricks der Konzerne. Allein der IT-Konzern Apple soll Irland 13 Milliarden Euro an zu wenig gezahlten Steuern zurückzahlen. Dabei will die Steueroase das Geld gar nicht, hat ihr Geschäftsmodell doch bislang auf Steuerdumping basiert.

Laut dem nun vorgestellten Vorschlag soll die gemeinsame Bemessungsgrundlage automatisch für alle Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 750 Millionen Euro greifen. Damit will die Kommission erreichen, dass die Gewinne da besteuert werden, wo sie auch erwirtschaftet werden. Denn die Konzerne betrieben ihre Steuervermeidung meist, indem sie ihre Gewinne künstlich in Niedrigsteuerländer verlagerten.

Für Fabio De Masi schafft die Kommission damit jedoch noch keine Steuergerechtigkeit: »Vielmehr droht die Steuerbasis kurzfristig gar zu sinken und der Wettbewerb über die Sätze intensiviert zu werden«, warnt der Abgeordnete der LINKEN im EU-Parlament. Denn Moscovicis Plan sieht eins nicht vor: Einen gemeinsamen Mindeststeuersatz.

Den fordern auch die Gewerkschaften. »Nur mit einer Untergrenze für die Körperschaftssteuer kann die EU verhindern, dass die Mitgliedsstaaten im Standortwettkampf ihre Steuern weiter nach unten treiben«, erklärte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell. Als EU-weites Minimum schlägt der Deutsche Gewerkschaftsbund 25 Prozent vor.

Doch laut De Masi wird noch nicht einmal die Möglichkeit der Gewinnverlagerung komplett ausgeräumt. »So kann ein Unternehmen weiter bis zu 74 Prozent der Profite einer anderen Firma beziehen, ohne diese zum Konzern zu zählen«, meint der LINKEN-Politiker. Zudem blieben Steueroasen außerhalb der EU verschont.

Stattdessen solle die neue Steuergrundlage nicht nur ein »Nachteil« für die Unternehmen sein, sondern »Anreize« schaffen, wie EU-Kommissar Moscovici es ausdrückt. Sein Vorschlag sieht steuerliche Vergünstigungen für Eigenkapital sowie eine höhere Absetzbarkeit von Ausgaben für Forschung und Entwicklung vor. So sollen die Gesamtinvestitionen in der EU um bis zu 3,4 Prozent gesteigert werden.

Ob das tatsächlich der Fall sein wird, steht genau so in den Stern, wie dass die gemeinsame Bemessungsgrundlage überhaupt kommt. Denn dazu müssen alle 28 Mitglieder der EU ihr Okay gegeben und diesen Eingriff in eins ihrer wichtigsten Hoheitsrechte, nämlich das der Besteuerung, zulassen.

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