Kolumbianisches Kaleidoskop: Spannungen und Sperenzchen

Die Friedensvereinbarung mit der FARC-Guerilla wird nachverhandelt / Geplante Gespräche mit der ELN lassen weiter auf sich warten

  • David Graaff, Mexiko-Stadt
  • Lesedauer: 3 Min.

Bei Gesprächen zwischen Vertretern evangelikaler Freikirchen und Mitgliedern der kolumbianischen Rebellengruppe FARC in der kubanischen Hauptstadt Havanna diskutierten beide Seiten die verschiedenen Vorbehalte der Kirchen gegenüber Teilen der Vereinbarung der Guerilla mit der Regierung.

Im Zentrum der Debatte steht vor allem das Thema der Geschlechtergerechtigkeit. Die Evangelikalen hatten ihre Anhänger dazu aufgerufen, die Friedensvereinbarung bei der Volksabstimmung Anfang Oktober abzulehnen. Anstoß fand dabei insbesondere der »Geschlechterschwerpunkt« in dem fast 300-seitigen Dokument. Die Hervorhebung der besonderen Rolle der Frauen als Opfer des Konfliktes und die Vereinbarung, Frauen und LGBTI-Personen in der Post-Konfliktphase besonders zu schützen und unterstützen, hatten die Freikirchen als »Einführung der Genderideologie« bezeichnet und auf die besondere Stellung der zweigeschlechtlichen Ehe und der Familie gepocht. Die Stimmen ihrer Anhänger waren mitentscheidend für das »Nein« einer knappen Mehrheit der Wahlberechtigten gewesen, was zur Aussetzung des Friedensprozesses geführt hatte.

Vorläufiges Resultat der Gespräche ist, dass sich die FARC bereit erklären, die verschiedenen Einwände der Evangelikalen in die Nachverhandlungen des Friedensabkommens einzubringen. Dabei handelt es sich teilweise lediglich um sprachliche Präzisierungen hinsichtlich des Geschlechterschwerpunktes und Aspekten wie der Religions- und Meinungsfreiheit und die freie Entscheidung der Eltern in Erziehungsfragen, die zwar nicht unmittelbar Teil der Vereinbarungen sind, von den Kirchen aber als Argument gegen diese im Rahmen der Wahlkampagnen vorgebracht worden waren.

Lediglich die Forderung einer evangelikalen Kongressabgeordneten, die in der Verfassung verankerte Festlegung der Ehe allein zwischen Mann und Frau hervorzuheben, scheint wenig realistisch.

Insgesamt konfliktreicher werden sich jedoch die Bemühungen gestalten, die Einwände von Ex-Präsident Álvaro Uribe gegen die Vereinbarungen in ein neues Abkommen zu integrieren.

Hatte die Santos-Regierung in den vergangenen Wochen versucht, das Uribe-Lager von anderen Teilen des Nein-Lagers zu isolieren und die Forderungen der einzelnen Gruppierungen getrennt voneinander berücksichtigt, fanden am vorigen Wochenende erste substanzielle Gespräche mit Uribe und Vertretern seiner Rechtspartei Centro Democrático und den Verhandlungsführern der Regierung statt.

Beide Seiten betonten nach dem siebenstündigen Treffen in kurzen Stellungnahmen das konstruktive Klima der Gespräche. Der Vorsitzende des Centro Democrático, Oscar Zuluaga, sagte, man habe Fortschritte bei den Themen der Agrarreform und der politischen Beteiligung erzielt. In der laufenden Woche sollen die Gespräche dann über die schwierigere Themen stattfinden. Die Rechte fordert unter anderem die Neuverhandlung der vereinbarten Übergangsjustiz und lehnt bislang die Möglichkeit ab, dass sich hochrangige Guerillamitglieder zur Wahl stellen dürfen.

Unterdessen ist weiter unklar, wann die Verhandlungen mit der ELN-Guerilla beginnen werden. Präsident Juan Manuel Santos hatte vergangene Woche die Eröffnung der Gespräche in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito abgesagt, da es nicht wie geplant zur Befreiung des ELN-Gefangenen Odin Sanchez, einem Politiker, gekommen war. »So lange ich Odin Sanchez nicht unversehrt zu Gesicht bekomme, wird es keine Verhandlungen mit der ELN geben«, sagte Santos am Sonntag (Ortszeit) in der Hafenstadt Barranquilla. Ende vergangener Woche hatte es geheißen, die Übergabe des Gefangenen werde vorbereitet.

Die ELN betonte, es sei vereinbart gewesen, Sanchez im Laufe der ersten Verhandlungsrunde freizulassen, nicht vorher. Diese sollte eigentlich am kommenden Freitag beginnen. Wegen Zusammenarbeit mit Paramilitärs war Sanchez 2011 zu mehreren Jahren Haft und einer Geldstrafe von umgerechnet 1,8 Millionen Euro zur Entschädigung der Opfer verurteilt worden. Diese hat er bis heute nicht bezahlt.

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