Spaniens neuer Regierungschef ist der alte

Gespaltene Sozialdemokraten hieven den rechten Premier Mariano Rajoy per Enthaltung ins Amt

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 3 Min.

Er hat es geschafft: Mariano Rajoy. Der strenggläubige Katholik - seit Dezember nur noch als geschäftsführender Ministerpräsident im Amt - ist seit Montag wieder regulärer Regierungschef: Nachdem er im Parlament durch die Enthaltung der Sozialdemokraten, die sich Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE) nennen, im zweiten Wahlgang auf eine relative Mehrheit von 170 Stimmen im 350-Sitze-Haus kam, stand dem Amtseid am Montag nichts mehr im Wege. Am Donnerstag will Rajoy sein Kabinett vorstellen. Mit den rechtsliberalen Ciudadanos (Bürger) will er sich dabei nicht abstimmen. Sie verweigern sich einer Koalitionsregierung, obwohl sie Rajoy am vergangenen Samstag gewählt haben.

Die PSOE duldet die Minderheitsregierung der postfaschistischen Volkspartei (PP). Die Partei ist in dieser Frage tief gespalten. Während ein großer Teil der Basis Umfragen zufolge gegen den neuen Kurs war, entschied sich die Parteiführung mit 59 Prozent für die Duldung - und damit indirekt für eine Fortsetzung der Austeritätspolitik.

Per imperativem Mandat sollten alle PSOE-Abgeordneten sich enthalten. Obwohl mit Rauswurf gedroht wurde, stimmten 15 «Abweichler» mit «Nein». Sie blieben dem Versprechen treu, Rajoy, eine tief in Korruption verstrickte PP und ihre Politik zu beseitigen. Es hätten 16 sein sollen, doch mit Pedro Sánchez legte der gerade abgesägte Parteichef vor der Abstimmung sein Parlamentsmandat nieder.

Er wollte ein Dilemma vermeiden, erklärte Sánchez am späten Sonntagabend im Fernseh-Interview. Er wollte sich gegen keine Entscheidung der Parteiführung stellen, aber auch kein Wahlversprechen brechen. Er will nun den «Kampf» um die Parteiführung als einfacher «Basissozialist» aufnehmen, kündigte er durch die Blume an, bei ausstehenden neuen Urwahlen anzutreten.

Mächtige Lokalfürsten, hinter denen der frühere Parteichef Felipe González und langjährige Ministerpräsident (1982-1996) stand, zwangen ihn, als PSOE-Chef abzutreten. «Das Land hat nun keine Opposition mehr, weil sich die PSOE im Niemandsland befindet», meinte er. Die Mediengruppe Prisa, mit der Tageszeitung «El País» als Flaggschiff, sei mit Unternehmerkreisen dafür verantwortlich, dass er und sein Projekt gestürzt worden sei. Denn er wollte eine Regierung mit der linken Podemos (Wir können es) bilden. Die Blattlinie sei «so missbräuchlich und sogar persönlich beleidigend gewesen, weil eine Verständigung der beiden Linken möglich war». Bei einem Treffen mit der Führung der größten Tageszeitung, die der PSOE sehr nahe steht, sei ihm das unmissverständlich erklärt worden.

Der nationalistischen Parteirechten in der PSOE war schon das Zugehen auf Podemos ein rotes Tuch. Dass Sánchez zudem bei einer Duldung auf katalanische und baskische Parteien bauen müsste, die für das Selbstbestimmungsrecht eintreten, führte zum «Putsch» - so wird der Vorgang in der Parteibasis von vielen genannt.

Sánchez meint, dass die andalusische Präsidentin Susana Díaz hinter den Kulissen die Strippen zieht. Sie solle «vortreten», denn «eine Partei kann nicht unter den persönlichen Ambitionen einer Führungsperson leiden. Viele glauben, dass sie seit Langem darauf hinarbeitet, die Führung zu übernehmen. Von der Interimsführung forderte er, sie solle sofort einen Parteikongress einberufen, wie es die Statuten vorschrieben. Die PSOE-Führung beschäftigt sich jetzt erst einmal mit Sanktionen. Debattiert wird, so berichtet »El País« heute, über den Ausschluss der katalanischen Parteisektion, da die sich geschlossen der Parteidoktrin verweigert und gegen Rajoy gestimmt hatte. Die PSOE ist in der Hand von Rajoy. Schon im November steht die Verabschiedung des extremen Sparhaushalts an, den Brüssel von Spanien fordert. Verweigert sich die PSOE dann, die PP-Maßnahmen erneut durch Enthaltung abzunicken, wird Rajoy ohne Zögern zurücktreten und eine kopflose PSOE auf dem falschen Fuß mit Wahlen überraschen. Kommentar Seite 4

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