Battle statt Bettel - der Kampf des Michail Saakaschwili

Der Georgier wirft den Posten des Gouverneurs von Odessa hin und geht den ukrainischen Präsidenten Poroschenko hart an

  • Denis Trubetskoy, Kiew
  • Lesedauer: 3 Min.

Eigentlich sollte es eine reguläre Pressekonferenz werden, die Michail Saakaschwili als Gouverneur von Odessa mehrmals pro Woche gibt. Doch an diesem Montag kam alles anders: Der georgische Ex-Präsident gab nicht nur in der gewohnt emotionaler Art seinen Rücktritt bekannt - in seiner Rede griff er auch den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko hart an. »Odessa wird sich nur dann entwickeln, wenn Kiew von korrupten Beamten gereinigt wird. Deswegen entschied ich mich für den Rücktritt, denn es macht einfach keinen Sinn mehr«, sagte der 48-Jährige. Unter anderem warf Saakaschwili Poroschenko vor, sogenannte Korruptionsclans in der Region unterstützt zu haben.

»Welchen Unterschied macht es für die Ukrainer, von wem sie beraubt werden - von Poroschenko oder Janukowitsch? Wie kann man so lange lügen und betrügen?«, betonte Saakaschwili, seit Mai 2015 im Amt des Gouverneurs, auf seiner Pressekonferenz. Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, waren laut dem Ex-Georgier die elektronischen Deklarationen der ukrainischen Beamten, die in den letzten Wochen offengelegt wurden: »Wenn Abgeordnete und Leute im öffentlichen Dienst Millionen deklarieren, dann läuft in der Ukraine etwas falsch.«

Außerdem kündigte Saakaschwili während seines Auftritts, der einer Wahlkampfrede ähnelte, an, in einer anderen Funktion weiterkämpfen zu wollen. »Ich ziehe mich nicht zurück, sondern eröffne die neue Etappe des Kampfes«, sagte Saakaschwili. »Ich gebe nicht auf - und ich bin nicht müde.« Mit der »neuen Etappe« meint er womöglich die neue Partei Chwylja (auf Deutsch: Welle), die von ihm geführt wird.

Bereits seit dem Umzug Saakaschwilis in die Ukraine wurde darüber spekuliert, dass der georgische Ex-Präsident bald mit seiner eigenen Partei antritt. Allerdings sind deren Beliebtheitswerte bisher schwach: Laut den neuesten Umfragen von Oktober würde Chwylja nur ein Prozent der Wählerstimmen bekommen.

Höchstwahrscheinlich hat dies jedoch mit der Tatsache zu tun, dass es zuletzt sehr ruhig um Saakaschwilis Partei war. Dass die Beliebtheit des Georgiers und somit auch das Potenzial von Chwylja deutlich höher liegen, wird in der Ukraine kaum angezweifelt. Die nächsten Parlamentswahlen sollen allerdings erst 2019 stattfinden, Saakaschwili hätte also Zeit.

»Das ist ein kluger Schachzug von ihm«, glaubt sein politischer Berater Sascha Borowik, der neben der ukrainischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt. »Vorerst sah es so aus, als würde Poroschenko ihn unterstützen. Doch nun wurde es offensichtlich, dass Kiew Saakaschwili nur neutralisieren und lokalisieren wollte.«

»Michail muss gehen und zum Anführer der reformorientierten Opposition werden«, glaubt Borowik. Allerdings sind die Ergebnisse von Saakaschwilis Arbeit als Gouverneur umstritten. Sein Team schnitt zwar hervorragend im PR-Bereich ab, es gab jedoch wenige Fortschritte während seiner Amtszeit. Ob das tatsächlich an der fehlenden Unterstützung Kiews liegt, darf bezweifelt werden. »Saakaschwilis Rücktritt kam vielleicht früher als erwartet, er ist trotzdem logisch«, sagt der in Odessa bekannte Journalist Witalij Chemij. »Seit Sommer benahm er sich so, als wollte er gefeuert werden.«

Saakaschwili wird zunächst in Odessa bleiben, schließlich muss seine Entlassungsbitte noch von Poroschenko unterschrieben werden - außerdem habe er in Odessa noch einiges zu tun, wie die Pressesprecherin des Georgiers am Montag erklärte.

Dass Saakaschwili in der nächsten Zeit nach Georgien zurückkehrt, ist wegen der strafrechtlichen Verfolgung des ehemaligen Staatschefs ausgeschlossen. Eines ist jedoch klar: Mit dem spektakuläre Rücktritt ist die Kiewer Strategie, bekannte Ausländer in die ukrainische Politik zu integrieren, endgültig gescheitert.

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