Ganz in Schwarz in der ARD

Jürgen Amendt über den Auftritt einer Muslima bei »Anne Will«

  • Lesedauer: 3 Min.

Am Sonntag kam es in der ARD zum Eklat. Nora Illi, Frauenbeauftragte des Islamischen Zentralrats der Schweiz, trat im schwarzen Nikab bei »Anne Will« auf. Hinter der Vollverschleierung verbarg sich eine »Propagandistin eines gewalttätigen Islam« (»Bild«). Im Einspieler warb Illi um Verständnis für Kriegsfreiwillige, die in Syrien auf der Seite des IS kämpfen. Seitdem läuft die politische Empörungsmaschine auf Hochtouren. Schon in der Sendung echauffierte sich ein anderer Talkgast, der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach, über die Wortmeldung Illis. Der Text verharmlose die Grausamkeiten des IS. Am Tag danach lief in den sozialen Online-Netzwerken die Maschine erst richtig heiß; Tenor: Der Auftritt der Muslima, deren Verein übrigens weniger als ein Prozent der knapp 350 000 in der Schweiz lebenden Muslime repräsentiert, sei »unfassbar!«.

Nora Illi war am Sonntagabend nicht zum ersten Mal in einer Talkshow des deutschen Fernsehens zu sehen. Schon 2012 trat sie bei »Menschen bei Maischberger« auf. Damals stritt sie sich u.a. mit der Theologin Uta Ranke-Heinemann um Fragen der Sexualität im Islam. Dass ein Muslim mehrere Frauen haben könne, finde sie in Ordnung, sagte Illi Ranke-Heinemann ins Gesicht, denn dies sei »eine Erleichterung für die Frau. Auch in sexuellen Bereichen. Es bringt Abwechslung.«

Wow, wie fortschrittlich! Dass die heute 32-Jährige bei »Maischberger« der Promiskuität das Wort redete, wollten vor vier Jahren die anderen Talkgäste von Maischberger aber partout nicht einsehen. Dabei ist die Haltung alles andere als unerklärbar. Illi wuchs als Kind eines Psychotherapeuten und einer Sozialpädagogin in der Schweiz auf, trieb sich nach eigenen Angaben sogar in der Punk-Szene in Zürich herum, bevor sie mit 18 zum Islam konvertierte. Mit diesem problematischen Lebenslauf kann man vieles werden, warum also nicht auch Islamistin?

Konvertiten sind in jeder Glaubensgruppe, egal ob diese religiös oder politisch motiviert sind - dafür bekannt, die Ideologie, zu der sie übergetreten sind, am fanatischsten zu vertreten. Und wer sich als Konvertitin katholischer als der Papst gibt, der muss geradezu dort hin, wo das Fernsehen seine Tiefpunkte allwöchentliche zelebriert: zu Anne Will, Sandra Maischberger, Maybrit Illner oder Frank Plasberg. Deren Formate nennen sich »Politik-Talk« und sind dabei gerade das Gegenteil von Gespräch. Gespräch würde ja heißen, dass man miteinander redet, Argumente statt Meinungen austauscht.

Insofern geht auch die Kritik von Wolfgang Bosbach fehl, der in der Sendung die Moderatorin empört fragte: »Warum wird das im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gezeigt?« Die ARD und Anne Will haben nämlich alles richtig gemacht. Gespannt wird das Publikum auch am nächsten Sonntag wieder einschalten und auf den nächsten Eklat warten. Vielleicht hat dann wieder der Landsmann Illis, der Rechtspopulist und Verleger Roger Köppel, einen seiner regelmäßigen Auftritte im deutschen Fernsehen.

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