Wer wählt wie in den USA?

Wählerregistrierung, Wahlmänner, »Winner takes it all«-Prinzip: Was man über die Wahlen am 8. November in den Vereinigten Staaten wissen muss

  • Lesedauer: 6 Min.

Wer darf in den USA wählen und wie funktioniert die Registrierung?

Alle US-Bürger ab dem 18. Lebensjahr, die ihren Wohnsitz in einem der 50 Bundesstaaten oder in der Hauptstadt Washington haben, sind am 8. November wahlberechtigt. Das sind etwa 219 Millionen Menschen. Wählen dürfen aber auch im Ausland lebende US-Bürger wie beispielsweise Soldaten oder Diplomaten.

Bewohner von Außengebieten, wie etwa Puerto Rico, dürfen nicht wählen. Auch illegale Einwanderer sowie Personen, denen aufgrund von Straftaten das Wahlrecht aberkannt wurde, sind nicht wahlberechtigt.

Wer wählen will, muss sich in Eigenverantwortung registrieren lassen. Die Termine und Regeln dafür unterscheiden sich von Bundesstaat zu Bundesstaat.

Die bestehenden Hürden für eine Registrierung sind ein Grund für die relativ geringe Wahlbeteiligung. Sie liegt in der Regel bei etwas mehr als 50 Prozent.

Das Electoral College - das Wahlmännergremium in den USA

Der Präsident wird dabei nur indirekt vom Volk gewählt. Jeder Bundesstaat hat eine bestimmt Zahl von Stimmen in einem 538-köpfigen Gremium aus Wahlmännern und -frauen zu vergeben.

Die Zahl der Wahlmänner richtet sich nach der Größe eines jeden Staates. Das bevölkerungsreiche Kalifornien stellt 55 Wahlmänner, das kleine Delaware nur drei.

Das Wahlmännergremium (Electoral College) wählt gemäß der Verfassung den Präsidenten oder in diesem Jahr mit Hillary Clinton möglicherweise die erste US-Präsidentin. Das Gremium wählt ebenfalls den Vizepräsidenten.

Dabei erhält der Kandidat, der am 8. November einen Bundesstaat gewinnt, nach dem in den meisten Staaten geltenden Mehrheitswahlrecht alle Wahlmänner dieses Staates zugesprochen (»The winner takes it all«).

Die Wahlmänner geben ihre Stimmen am 19. Dezember in den jeweiligen Hauptstädten ihrer Bundesstaaten ab. Gewählt ist, wer mehr als die Hälfte, also mindestens 270 Wahlmännerstimmen auf sich vereinen kann.

Das »Winner-takes-all«-Prinzip des Mehrheitswahlrechts

In den USA wählen bis auf zwei Ausnahmen alle Bundesstaaten nach dem Mehrheitswahlrecht. In 48 Staaten gilt das »Winner-takes-all«-Prinzip - der Gewinner bekommt alles. Das bedeutet, wer eine einfache Mehrheit in einem Staat gewinnt, vereint alle Wahlmänner des betreffenden Staates auf sich - egal, ob der Vorsprung nun riesig oder nur hauchdünn ist.

Es ist vergleichbar mit der Erststimme bei der Bundestagswahl, mit der die Wahlkreiskandidaten gewählt werden. Eine Zweitstimme wie in Deutschland gibt es in den USA nicht.

Insgesamt werden in allen 50 Staaten und der Hauptstadt Washington 538 Wahlmänner und -frauen bestimmt. Diese wählen dann offiziell den Präsidenten und seinen Vize. Wer ins Weiße Haus einziehen möchte, braucht die Unterstützung von mindestens 270 Wahlmännern.

Dabei kann eine Konstellation entstehen, bei der einer der Kandidaten die meisten Stimmen auf sich vereint, der andere aber mehr Wahlmänner - und somit zum Präsidenten gewählt wird. So geschehen im Jahr 2000, als sich George W. Bush gegen Al Gore knapp durchsetzte, obwohl Gore landesweit mehr Stimmen gesammelt hatte.

Das »Winner-takes-all«-Prinzip ist umstritten. Kritiker bemängeln, Stimmen gingen verloren, weil in jenen Staaten, die immer nur für Demokraten oder Republikaner stimmen, Wähler gar nicht erst zur Abstimmung gehen.

In Staaten wie Kalifornien oder New York, die traditionell mit großer Mehrheit demokratisch wählen, findet deshalb kaum Wahlkampf statt, genauso wenig wie in traditionell republikanischen Staaten wie Oklahoma oder Kansas.

In den Staaten Maine und Nebraska, die vier beziehungsweise fünf Wahlmänner stellen, gilt das »Winner-takes-all«-Prinzip in abgeänderter Form. Dort werden nur zwei Wahlmänner oder -frauen nach diesem Prinzip verteilt. Die anderen Stimmen werden proportional zum Wahlergebnis vergeben.

Repräsentantenhaus wird vollständig, Senat zu einem Drittel neu gewählt

Die US-Wähler entscheiden an diesem Dienstag nicht nur über einen neuen Präsidenten, sondern auch über die Zusammensetzung des neuen Parlaments. Diese Abstimmung ist für den Entscheidungsspielraum des künftigen Präsidenten von großer Bedeutung. Denn je nachdem wer gewählt wird: Hillary Clinton oder Donald Trump wird viel, aber längst nicht alles ohne den US-Kongress entscheiden können - beispielsweise in der Gesetzgebung oder bei der Besetzung von hohen Regierungsämtern.

Gewählt werden die 435 Abgeordneten des Abgeordnetenhauses sowie 34 der 100 Senatoren. Bisher sind beide Kammern fest in der Hand der Republikaner. Sollte die Demokratin Hillary Clinton zur Präsidentin gewählt werden, müsste sie auch mindestens eine Kammer auf ihre Seite ziehen, um einigermaßen effektiv regieren zu können. Im Senat müssten die Demokraten eine Mehrheit gewinnen, damit Clinton beispielsweise freie Richterstellen im höchsten US-Gericht, dem Supreme Court, besetzen kann.

»Die Demokraten werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht die 30 Sitze hinzugewinnen, die sie für eine Mehrheit im Repräsentantenhaus benötigen«, schreibt Simone Pathé im Fachorgan »Roll Call«, das sich seit 1955 mit den Wahlen zum Kongress beschäftigt. Es werde zwar Zugewinne für die Demokraten geben, aber die historische Mehrheit der Republikaner würden sie nicht brechen können.

Anders ist die Situation in der zweiten Parlamentskammer, dem Senat. In diesem Wahljahr haben die Republikaner einen Nachteil, weil sie 24 Senatssitze, die Demokraten aber nur zehn verteidigen müssen.

Im Senat müssten die Demokraten nur vier Sitze zu »drehen«, um eine Mehrheit zu erlangen. Dies erscheint weiterhin gut möglich, wenngleich nicht mehr so sicher wie noch vor Wochen.

Im Lager der Republikaner kehrte erst in den zurückliegenden Tagen die Hoffnung ein, den Senat doch noch halten zu können. Der Blog »FiveThirtyEight« von Umfrage-Guru Nate Silver sieht die Chancen der Demokraten auf einen Mehrheitswechsel im Senat bei derzeit nur knapp über 50 Prozent.

Als vergleichsweise sicher gilt bisherigen Umfragen zufolge, dass der Demokrat Tammy Duckworth in Illionois Senator Mark Kirk aus dem Amt drängen kann. In Wisconsin hat Russ Feingold gute Chancen, die Nachfolge des republikanischen Amtsinhabers Ron Johnson anzutreten.

Spannend wird es dagegen in Pennsylvania, wo Katy McGinty sich für die Demokraten bewirbt, Amtsinhaber Pat Toomey aber bis zum Schluss um den Verbleib im Senat kämpft.

Weitere Chancen haben die Demokraten in Missouri, Nevada und New Hampshire, möglicherweise auch in Indiana und North Carolina oder sogar in Florida, wo Amtsinhaber Marco Rubio zeitweise wie der Verlierer gegen den Demokraten Patrick Murphy aussah, sich inzwischen aber erholte.

Die Rennen hängen in hohem Maße davon ab, welcher Präsidentschaftskandidat - also die Demokratin Clinton oder der Republikaner Trump - in der jeweiligen Region gewählt wird. Denn amerikanische Wähler splitten ihre Stimmen verhältnismäßig selten auf, wählen häufig in allen Einzelwahlen die Kandidaten der selben Partei.

Republikanische Bewerber haben einen negativen »Trump«-Effekt, der sie teilweise deutlich ins Minus gerissen hatte, mit dem Aufholen des Präsidentschaftsbewerbers gegenüber Clinton teilweise wieder wettmachen können. Agenturen/nd

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