Ein Bumerang aus dem Jahr 2011

Thüringens CDU will einen Volksentscheid zur Gebietsreform - und beruft sich auf Ramelow

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Erfurt. Thüringens Innenminister Holger Poppenhäger (SPD) will dem Landtag erst im Frühjahr 2017 das Gesetz zur umstrittenen Kreisreform in Thüringen vorlegen. Der Vorschlag, die Zahl der derzeit 17 Kreise auf acht und die der kreisfreien Städte von sechs auf zwei zu verringern, verstehe er als Grundlage für eine breite Diskussion in den kommenden Monaten, sagte Poppenhäger am Donnerstag im Landtag. Die rot-rot-grüne Regierung sei offen für weitere Vorschläge. »Wir lassen uns gern von Argumenten überzeugen.« Die neue Kreisstruktur solle ab 2018 gelten - entweder ab Januar oder ab Juli, kündigte der Minister an.

Die Oppositionsfraktionen CDU und AfD lehnten die Gebietsreform erneut ab. CDU-Fraktionschef Mike Mohring forderte einen Volksentscheid. »Das Volk soll abstimmen, nicht wir«, sagte Mohring in der Debatte zu Poppenhägers Regierungserklärung im Landtag.

In dem Gesetz zur neuen Kreisstruktur sollen nach Angaben des Innenministers auch die neuen Kreisstädte festgelegt werden. Er wolle zudem Vorschläge machen, wie die neuen Kreise heißen sollen, sagte Poppenhäger. Über die Kreisnamen sollten endgültig jedoch die Kommunalparlamente entscheiden. Zum Gesetzentwurf sei eine Anhörung der Vertreter der Kreise und kreisfreien Städte geplant. Thüringen ist laut Poppenhäger das letzte ostdeutsche Land, das eine Kreisreform angeht. Derzeit seien die Kreise mit im Schnitt 95 000 Einwohnern im bundesweiten Vergleich sehr kleinteilig. Poppenhägers Vorschlag sieht Kreise mit 131 000 bis 235 000 Einwohnern vor. »Wir bekommen Monsterkreise«, sagte der AfD-Abgeordnete Jörg Henke.

Mohring bezog sich bei seiner Forderung nach einem Volksentscheid auf Äußerungen von Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) von 2011, als dieser noch Fraktionschef der damals oppositionellen LINKEN war. Damals habe sich Ramelow dafür ausgesprochen, eine Gebietsreform sollte durch einen Volksentscheid demokratisch legitimiert werden. »Wir fordern das ein«, so der CDU-Fraktionschef. Er warf Poppenhäger vor, zur Verunsicherung beizutragen, indem er die Umsetzung der Gebietsreform entweder für Anfang oder Mitte 2018 ankündige. Mohring bekräftigte, dass seine Fraktion gegen das vom Landtag im Juni beschlossene Vorschaltgesetz Verfassungsklage noch in diesem Jahr einlegen werde.

Der Stadtrat von Weimar machte am Mittwochabend den Weg für eine Verfassungsklage frei, mit der die Klassikerstadt gegen den Verlust ihres Status als kreisfreie Stadt vorgehen will. Weimar liegt unter der Grenze von 100 000 Einwohnern, die künftig für kreisfreie Städte gelten soll. »Das Image von Weimar hängt nicht an der Kreisfreiheit«, sagte der LINKE-Abgeordnete Frank Kuschel. Weimar zahle dafür einen hohen Preis - das Geld fehle der Stadt an anderer Stelle. Der SPD-Abgeordnete Uwe Höhn sagte, Thüringen verliere bis 2035 weitere 300 000 Einwohner. »Wenn wir die Struktur auf dem jetzigen Niveau lassen - das wäre verantwortungslos.« Die Opposition forderte Belege, dass größere Strukturen effizienter arbeiteten. Poppenhäger sagte, zunächst koste es Geld, um Thüringen fit für die Zukunft zu machen.

Thüringens Landtagspräsident Christian Carius hatte am Dienstag die Unterschriftenlisten für ein Volksbegehren gegen die Gebietsreform entgegengenommen und diese als »unübersehbares Signal für die Heimatverbundenheit der Bürger« gewürdigt. Es seien fast zehnmal so viele Unterschriften abgegeben worden wie erforderlich sind, betonte der Christdemokrat. »Die Politik ist gut beraten, sich mit diesem Anliegen der Menschen gründlich auseinanderzusetzen.«

Ursprünglich wurden nach Angaben des Trägervereins »Selbstverwaltung für Thüringen« rund 47 000 Unterschriften für das Volksbegehren gesammelt. Nach der Prüfung durch die Einwohnermeldeämter wurden Carius nun gut 44 000 übergeben, davon knapp 42 000 gültige Stimmen. Carius hob hervor, dass die Unterstützerzahl ein Rekord in Thüringen sei. Die bisherige Höchstmarke habe bei 23 000 Unterschriften gelegen. Der Landtagspräsident hat nun innerhalb von sechs Wochen über die formale Zulässigkeit des Antrags zu entscheiden. Die Landesregierung hatte die Zulässigkeit des Volksbegehrens infrage gestellt, weil es den Landeshaushalt tangiere. Sie behielt sich juristische Schritte dagegen vor. dpa/nd

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