Neue Klimaachse deutet sich an

Die EU setzt auf mehr Zusammenarbeit mit China, das die USA aber noch nicht abschreibt

  • Benjamin von Brackel, Christian Mihatsch und Susanne Schwarz
  • Lesedauer: 4 Min.

Es ist kein Jahr her, dam ließ Xie Zhenhua, der chinesische Chefdiplomat bei den Klimaverhandlungen, seinem US-amerikanischen Amtskollegen Todd Stern eine E-Mail mit besten Neujahrswünschen zukommen. »An meinen lieben Freund Todd«, beginnt der Brief, den Wikileaks Mitte Oktober veröffentlichte. »Wie du es völlig richtig in deiner E-Mail an mich formuliert hast, ist es die enge Kooperation zwischen China und den USA beim Klimawandel, die eine herausragende Rolle für das Erreichen des Paris-Abkommens gespielt hat.«

Xie schreibt, die beiden gemeinsamen Erklärungen der Staatschefs seien »historische Beiträge« zum Klimaprozess gewesen und hätten erst die Grundlage für das neue Klimaabkommen gelegt. »Wenn es möglich ist, werden wir sicher keine Gelegenheit auslassen, unsere Kooperation fortzusetzen, um die nachhaltige Entwicklung unser beider Nationen und der Welt zu fördern und unsere jeweiligen Beiträge zu leisten, um die Welt zu beschützen«, schreibt Xie und beendet seinen Brief mit den Worten: »Ich werde immer meinen Freund auf der anderen Seite des Pazifiks im Herzen behalten.«

Die Ungewissheit und Wehmut, die in den Worten mitschwang, könnte man schon als düstere Vorahnung interpretieren. Denn die erfolgreiche US-China-Allianz droht nun zu zerbrechen, da Donald Trump die US-Wahlen gewonnen hat. Meldungen zufolge soll er immer noch von seinem Vorhaben überzeugt sein, aus dem Paris-Vertrag auszusteigen. Mit dem möglichen und wahrscheinlichen Ausfall der USA rückt nun ein Akteur ins Licht, der in den vergangenen Jahren im Schatten der Allianz Peking-Washington stand: Die Europäische Union könnte die Lücke füllen, welche die USA möglicherweise reißt. Schon jetzt planen China und die EU eine verstärkte Zusammenarbeit im Klimaschutz. Peking und Brüssel - das könnte der neue Motor im internationalen Klimaschutz werden.

»Im Chinesischen bedeutet das Wort Krise zugleich Gefahr und Chance«, sagt Li Shuo von Greenpeace China. »Und es gibt jetzt die Chance, dass China und die EU ihre Zusammenarbeit vertiefen und neu kalibrieren. In den nächsten vier Jahren wird die Beziehung beider Seiten sehr wichtig sein.« Eine Gelegenheit bietet sich laut Li im kommenden Jahr mit der G20-Präsidentschaft von Deutschland: »Das bietet die Möglichkeit für die EU und China, stärker in der Klimafrage zusammenzuarbeiten und den Ausstieg aus den fossilen Energien ganz oben auf die Agenda zu setzen.«

Dass China auch ohne den Partner USA nicht in der klimapolitischen Versenkung enden will, hat der größte Emittent der Welt in Marrakesch bereits klar gemacht: Man werde seine Versprechen aus Paris einhalten, erklären die chinesischen Diplomaten auf dem Weltklimagipfel - ob Trump nun blockiere oder nicht. Man wolle die internationale Kooperation beim Klimaschutz voranbringen. Und überhaupt: Die kohlenstoffarme Wirtschaft sei nicht mehr aufzuhalten. Es sei daher nicht weise, die Reise in eine kohlenstoffarme Welt zu stoppen und in die umgekehrte Richtung zu gehen, warnte die chinesische Regierung schon vor der US-Wahl.

Noch setzt Peking aber darauf, dass die USA erst gar nicht ausscheren. »Die chinesisch-amerikanische Beziehung im Klimaschutz war weniger eine umweltpolitische als eine geopolitische«, sagt Greenpeace-Mann Li. Der Klimaschutz, der zuletzt immer an der Spitze der Agenda bei den bilateralen Treffen stand, habe geholfen, die Beziehungen beider Länder zu institutionalisieren. »Das wird nicht einfach aufhören«, meint Li. »Der nächste US-Präsident kann nicht einfach davonlaufen. China wird ihn in die Verantwortung nehmen.«

In den vergangenen Jahren waren die beiden Staaten Motor der internationalen Klimaverhandlungen. Gemeinsam präsentierten sie ihre Klimaziele, brachten sie das Paris-Abkommen im Dezember 2015 zum Abschluss und wenige Monate später zeitgleich durch ihre nationalen Gremien. Auch dass der Vertrag bereits Anfang November in Kraft trat, ist vor allem dieser Allianz zu verdanken.

Doch China ist auch realistisch und will sich für die Situation wappnen, dass Trump wirklich den internationalen Klimaschutzrückzug antritt. »Wir wissen noch nicht, was Trump nun wirklich macht, aber wir wissen, dass China bereit ist, eine Führungsrolle einzunehmen«, meint Steven Herz von der US-Umweltorganisation Sierra Club.

Auch die EU denkt darüber nach, mehr zu tun. Am Montag traf sich die sogenannte High Ambition Coalition, ein Zusammenschluss von 35 besonders klimaschutzeifriger Staaten, auch, um ihre Strategie auf eine Zeit mit einem Präsidenten Trump anzupassen. Offiziell gehen die europäischen Delegationen davon aus, dass die USA Teil des Paris-Abkommens bleiben. Aber schon fordern die ersten, sich stärker nach Osten zu orientieren. »China und die EU sollten sich auf dem Weltklimagipfel in Marrakesch verbünden«, sagt Jo Leinen, Vizechef der EU-Delegation und klimapolitischer Sprecher der SPD- Fraktion im EU-Parlament, über Twitter.

Auch Deutschland will nun stärker auf China setzen. Umweltministerin Barbara Hendricks etwa ist internationale Vizechefin des Umwelt- und Entwicklungsbeirats der chinesischen Regierung (CCICED). Vor gut einem Jahr unterzeichnete sie in China zwei Abkommen zur Stärkung der Kooperation in Fragen der Urbanisierung und des Wassermanagements.

»Wir haben etwas, auf dem wir inhaltlich und menschlich aufbauen können«, sagt ein deutscher Verhandler am Rande der UN-Konferenz in Marrakesch. »Wir fangen nicht bei Null an.«

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