Hass und Intoleranz im Trump-Land

Hunderte Übergriffe und Drohungen in den Tagen nach der Präsidentschaftswahl erfasst

  • Max Böhnel, New York
  • Lesedauer: 3 Min.

Das in Alabama beheimatete Sou᠆thern Poverty Law Center (SPLC), die größte mit der Beobachtung und Analyse von Hassverbrechen befasste Organisation in den USA, nannte jetzt die Zahl 437. So viele Fälle von rassistischer Belästigung, fremdenfeindlichen Übergriffen und rechtsextremen Schmierereien seien aus den gesamten USA in der Woche nach Donald Trumps Wahlsieg berichtet worden. Unter dem Hashtag ReportHate schildern Opfer und Zeugen Einzelheiten: vom Hakenkreuz auf dem Gehsteig in einem orthodox-jüdischen Viertel in Brooklyn über Pickup-Truck-Fahrer, die in Texas zwei Händchen haltende Männer mit »Scheißschwule« anbrüllen, bis zu Studenten, die einer Kinderwagen schiebenden Muslima das Kopftuch herunterreißen. Betroffene schrieben auch auf Facebook von Drohungen und Übergriffen. So tauchten In Philadelphia Hakenkreuze an Fensterscheiben von Geschäften auf, so wie in einem Dorf im Bundesstaat New York, wo die Bewohner auch ein Graffito mit der Aufschrift »Macht Amerika wieder weiß« vorfanden. In Rochester in New Hampshire wiederum brannten Regenbogenflaggen. Das alles sei der pure Hass, »Hate«, wie Trump-Gegner bei Demonstrationen auf ihren Plakaten diese gefährlichen Vorgänge anprangern.

Die Mehrzahl der Drohungen und Übergriffe ereignete sich an Schulen, Universitäten und Arbeitsplätzen. Meist hätten sich die Täter direkt auf Trump oder seine Wahlkampfslogans bezogen. Die Aggressionen seiner Fans, zu denen neben »besorgten Bürgern« auch der Ku-Klux-Klan, Neonazis und bewaffnete »patriotische« Milizen gehören, richteten sich in ihrer Mehrzahl gegen Einwanderer, Afroamerikaner, Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender sowie Muslime.

Die Zahl der »Zwischenfälle«, über die das SPLC nicht unterrichtet wurde, liegt mit Sicherheit noch weit höher. In den vergangenen Tagen sind die Übergriffe allerdings wieder etwas zurückgegangen. Beobachter sehen das vorläufige Abklingen der rassistischen Welle im Zusammenhang mit einer Äußerung von Donald Trump sowie - und das mag erst mal paradox klingen - mit der Ernennung des Rechtsextremen Steve Bannon zu seinem Chefberater. Am Sonntag hatte sich Trump in einem Interview mit dem Fernsehsender CBS direkt an seine Anhänger mit den Worten gewandt: »Hört auf damit ... Ich sage das jetzt direkt in die Kameras: hört auf damit, ... das ist schrecklich. Denn ich werde dieses Land wieder zusammenführen.« Ihm selbst sei »nur eine sehr kleine Anzahl« von Zwischenfällen bekannt, so Trump. Doch fast im selben Atemzug holte er gegen seine Gegner aus: Die Demonstrationen gegen ihn seien »schlimm« und auf die Medien zurückzuführen, »die jeden kleinen Zwischenfall in diesem Land« aufbauschen würden.

Am selben Tag gab der designierte Präsident die Bannon-Berufung ins Weiße Haus bekannt. Da der Ex-Chef der Hetz-Webseite »Breitbart News« im Wahlkampf für die Neonazis und andere bewaffnete Rechte zum wichtigsten Stichwortgeber und zum Organisator des »Aufstands« gegen das Republikaner-Establishment geworden war (siehe Beitrag unten), vermuten Beobachter, dass seine Ernennung zum Einflüsterer Trumps der rechten Szene als Signal gilt, sich vorläufig zurückzuhalten. Nicht auszuschließen ist, dass der Gründer der »Alt-Right«-Bewegung seine Fußtruppen direkt zum taktischen Rückzug aufgefordert hat.

Bannon wurde von der republikanischen Parteiführung und von den Spitzen im Kongress für unbedenklich erklärt und der Rechtsruck so »normalisiert«. Der berühmte New Yorker Anwalt Alan Dershowitz verstieg sich zu der Aussage, Bannon als Antisemiten zu bezeichnen sei eine Behauptung ohne Beweis. Morton Klein von der »Zionist Organisation of America«, die sich als Lobbyorganisation der israelischen Rechtsregierung versteht, erklärte sogar, Bannon sei »ein tapferer Kämpfer gegen Antisemitismus« - weil er »pro-Israel« sei.

Der Kurznachrichtendienst Twitter hat derweil mehrere rassistische Konten von Unterstützern Trumps gesperrt. Einer der Betroffenen ist Richard Spencer; bei ihm ist es neben dem eigenen Account auch das Konto seines Magazins und seiner »Expertengruppe«. Spencer sprach von einer »großen Säuberungsaktion«. Twitter verwies daraufhin auf sein Regelwerk, wonach »gewalttätige Drohungen, Belästigung, hasserfülltes Verhalten« verboten seien.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal