Aleppiner wollen keine Spaltung ihrer Stadt

Vorschlag des UN-Sondervermittlers für Syrien findet wenig Zustimmung

  • Karin Leukefeld, Aleppo
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Teilung der nordsyrischen Millionenstadt soll nach Vorstellung von UN-Sondervermittler Staffan de Mistura eine Übergangsmaßnahme sein. Diese könnte später in eine von der UN-Sicherheitsratsresolution 2254 vorgeschlagene politische Transformation in Syrien übergehen. Garantieren, dass es sich um eine temporäre Maßnahme handelt, wollen de Mistura zufolge fünf Staaten aus der »Internationalen Unterstützungsgruppe Syriens« gewährleisten. Um welche Staaten es sich handelt, sagte er nicht. Dem Plan zufolge soll im Osten von Aleppo eine Art Autonomieregierung entstehen, als Gegengewicht zur syrischen Regierung in Damaskus. Der syrische Außenminister hat den Vorschlag zurückgewiesen.

Ob Militärs oder Geschäftsleute, Abgeordnete, Angestellte oder Zugewanderte, wie die seit Jahrzehnten in Aleppo wohnende Christine Baba aus Dresden, alle befragten Personen äußerten sich gegenüber der Autorin in Aleppo ablehnend zu einer »temporären Autonomieregierung« in dem umkämpften Ostteil der Stadt. »Woher nur kommt so eine Idee?«, fragt Baba. »Die Leute aus Aleppo haben sich das bestimmt nicht ausgedacht.« Und der Geschäftsmann Bassil Nasri sagt mit Nachdruck: »Dieses Gerede von Ost- und West-Aleppo wollen wir nicht mehr hören. Aleppo ist eins, wir wollen die Stadt endlich wieder aufbauen. Dafür brauchen wir Frieden.«

Zwei Familien konnten vor wenigen Tagen unter Lebensgefahr aus dem von rund 6000 Bewaffneten kontrollierten Ost-Aleppo fliehen, berichten örtliche Medien. Sie waren durch einen geheimen Tunnel geflohen. Andere Personen, die fliehen wollten, wurden von Regierungsgegnern erschossen. Mindestens die Hälfte der rund 250 000 Menschen, vermutlich aber weit mehr, will die Kampfzone verlassen, meinte Fadi Ismail, der Aleppo-Vertreter des Ministeriums für Nationale Versöhnung, im Gespräch mit der Autorin.

Baba, die regelmäßig deutsche Nachrichten im Fernsehen verfolgt, zeigt sich irritiert über die deutsche Berichterstattung. Kinder, über die berichtet wurde, seien nicht bei »einem Kampf« getötet worden, sagt sie: »Es fand gar kein Kampf statt, als die Kinder starben.« Die Schule stehe mitten in einem Wohngebiet und sei von einer Rakete offenbar gezielt getroffen worden, die eine Entfernung von mehreren Kilometern zurückgelegt habe. »Und dass am selben Tag ein Krankenhaus und die Universität ebenfalls von Raketen der Terroristen getroffen wurden, hat in Deutschland auch niemand berichtet.«

Während deutsche Medien den Blick auf das Geschehen in und um Aleppo beeinflussen, sind deutsche Rüstungsunternehmen ganz handfest involviert. Das zeigt der Fund deutscher Waffen in einem nördlichen Stadtteil von Aleppo. Beni Zeid war am 2. August von der syrischen Armee von der Gruppe Shuhada Badr (Badr-Märtyrer) zurückerobert worden. Die Gruppe steht unter dem Kommando der Nusra-Front, einer der größten dschihadistischen Milizen, die sich durch Massaker und Enthauptungen von Gefangenen unrühmlich hervorgetan hat.

Bei der Durchsuchung des Viertels wurden neben einer Fabrik für so genannte »Hell Shells«, selbst gebaute Raketen aus Gasflaschen, auch US-Waffen und Waffen aus deutscher Herstellung gefunden. Gewehre von Heckler & Koch, Nachtsichtgeräte und Gasmasken stellte die Armee sicher. Von den mehr als 50 gefundenen Gasmasken der Firma Dräger aus Lübeck seien elf neu gewesen, sagte ein Offizier der syrischen Armee und zeigte eine dieser gefundenen Gasmasken der Autorin. Wie die deutschen Waffen und Ausrüstungsgegenstände in die Hände einer regierungsfeindlichen Miliz in Aleppo gelangten, wäre von der deutschen Bundesregierung zu erklären.

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