Lücke der Geschichte

DDR-Bürgerrechtler Templin kämpft gegen die Deutsche Rentenversicherung

Mit seiner Ausweisung aus der DDR musste er nicht nur sein Land zurücklassen, sondern auch einen Teil seiner Rente. Der ehemalige Bürgerrechtler Wolfgang Templin durfte nämlich zwar nicht mehr in der DDR leben, seine Staatsbürgerschaft wollte er jedoch ausdrücklich nicht gegen die der BRD tauschen - weshalb er zwei Jahre weder hüben noch drüben in die Rentenkasse einzahlen konnte, von seiner erzwungenen Ausreise im Jahr 1988 bis in die Nachwendezeit.

Dass Templin einmal zur persona non grata werden würde, war dabei zunächst gar nicht absehbar, denn Anfang der 1970er Jahre war er nicht nur Mitglied der SED, sondern auch Inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) - bis er sich 1975 selbst enttarnte und über seine Tätigkeit berichtete. In den folgenden Jahren engagierte sich der studierte Philosoph unter anderem in Friedens- und Menschenrechtsgruppen, was ihn seine Promotion kostete. Es folgten Austritt aus der SED, Berufsverbot, massive Repressionen durch das MfS und 1988 schließlich die Teilnahme an der berühmten Aktion von DDR-Bürgerrechtlern während der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration: Protest unter Rosa Luxemburgs Losung »Freiheit ist immer auch die Freiheit der Andersdenkenden«. Das Ergebnis: Ausweisung.

Nun droht gerade ein nach der Wende wieder einflussreicher Bürgerrechtler, der an der Geschichte mitschrieb, durch eine Lücke in dieser zu fallen. Denn die Deutsche Rentenversicherung weigert sich, die erzwungene Leerstelle zu schließen. Eine Klage Templins dagegen wies das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg in dieser Woche ab; aus formalen Gründen, weil Templin eine Frist überschritten hatte. Für Templin nicht das Ende der Geschichte: »Es geht mir nicht primär um finanzielle Dinge«, sagte er der »Märkischen Allgemeinen«. »Es geht mir darum, dass die Situation anerkannt wird mitsamt ihren Folgen.« Wichtig sei, dass eine Gesetzeslücke geschlossen werde.

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