Ein Zitat, das nie verwendet wurde

  • Sebastian Haak
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Vorsitzende der Linksfraktion im Thüringer Landtag, Susanne Hennig-Wellsow, fordert eine offizielle Entschuldigung des Erfurter Landtagspräsidenten Christian Carius (CDU) bei dessen Stellvertreterin Margit Jung (LINKE). Zudem solle Carius öffentlich erklären, dass die Landtagsverwaltung Jung ein Zitat in den Mund gelegt habe, das diese weder gesagt noch sonst irgendwie benutzt habe, heißt es in einem Brief von Hennig-Wellsow an Carius vom Mittwoch, der dem »nd« vorliegt. Dies sei umso wichtiger, da es sich um eine Äußerung handele, »die nicht ihrer Auffassung entspricht«.

Hintergrund der Forderung ist eine Pressemitteilung des Landtages, in der Jung unter anderem mit dem Satz zitiert wird: »Die Anwesenheit unserer Soldatinnen und Soldaten in den Krisenregionen der Welt gibt den Einheimischen Hoffnung und Zuversicht.« Weiter stand in der Mitteilung, die Soldaten linderten Not und leisteten humanitäre Hilfe. Das Problem aus Sicht der LINKEN: Die Partei ist von jeher äußerst bundeswehrkritisch und lehnt Auslandseinsätze der deutschen Streitkräfte kategorisch ab. Die LINKE will sogar den Austritt Deutschlands und der Bundeswehr aus der NATO sowie das Militärbündnis auflösen.

Die Pressemitteilung war verschickt worden, weil die Angehörigen von Thüringer Soldaten, die derzeit im Auslandseinsatz sind, den Landtag besucht hatten und dabei von Jung empfangen worden waren - ein Routinetermin im Advent, der die Wertschätzung des Freistaats für die Soldaten und deren Angehörige ausdrücken soll. Ein Sprecher von Carius räumte am vergangenen Donnerstag in Erfurt ein, dass der Landtagsverwaltung beim Schreiben der Pressemitteilung ein Fehler unterlaufen sei. Das umstrittene Zitat sei von Jung tatsächlich nicht autorisiert gewesen und von ihr auch nicht verwendet worden, sagte er. »Das war keine böse Absicht.« Das Zitat sei aus dem Rede-Entwurf der Verwaltung für Jungs Empfang der Angehörigen genommen worden. Die LINKE-Politikerin habe diese Rede zur Eröffnung der Veranstaltung aber nicht so gehalten, wie es ihr aufgeschrieben worden sei. Die falsche Äußerung sei inzwischen von allen Social-Media-Kanälen des Landtages genommen worden. Gleichzeitig kündigte der Sprecher an, Carius werde die Panne im Ältestenrat des Parlaments noch einmal ansprechen.

In ihrem Brief an Carius moniert Hennig-Wellsow allerdings auch noch etwas anderes: Dass der Landtagspräsident selbst in der strittigen Pressemitteilung mit der Einschätzung zitiert wurde, auf Deutschland komme mehr internationale Verantwortung zu und es sei deshalb »folgerichtig, dass sich die Bundeswehr von einer reinen Verteidigungsarmee zu einer internationalen Einsatztruppe entwickelt hat«, sei nicht mit der politischen Neutralitätspflicht seines Amtes vereinbar, schrieb die Linksfraktionsvorsitzende. Als Privatperson und CDU-Politiker stehe ihm diese Positionierung zwar zu. Nach ihrer Überzeugung aber nicht dann, wenn er sich als Präsident des Landesparlaments äußere. Immerhin fordert sie für die Worte Carius’ in der Pressemitteilung keine Entschuldigung.

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