Storm-Stadt Husum hat ein Frauenproblem

Gericht fordert Umsetzung des Gleichstellungsgesetzes

  • Dieter Hanisch
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Gleichstellungsgesetz in Schleswig-Holstein soll die Abbildung der Bevölkerungsparität sichern - und nicht die von Mehrheiten oder irgendeinem Proporz in gewählten politischen Gremien. Das hat das Verwaltungsgericht in Schleswig aus Anlass eines kommunalen Streits in Husum (Kreis Nordfriesland) nun noch einmal herausgestellt.

Das Gesetz gibt es seit 1994, genauso lange wird allerdings kontinuierlich gegen den darin enthaltenen Paragrafen 15 und die vorgeschriebene Frauenquote von 50 Prozent verstoßen. Nach über 20 Jahren wurde ein Verstoß gegen die kommunale Frauenquote nun aber erstmals Gegenstand vor Gericht. Die Hauptprotagonisten des aktuellen Streits kommen dabei aus Husum und sind Männer. In der Geburtsstadt von Theodor Storm betreiben Bürgermeister Uwe Schmitz (parteilos) und Bürgervorsteher Uwe Empen (SPD) eigentlich weitgehend einvernehmlich Kommunalpolitik. Im Schleswiger Gericht saßen beide mit ihren Rechtsbeiständen als Widersacher vor dem vorsitzenden Richter der 6. Kammer, Dr. Hartwig Martensen - Schmitz als beklagter Verwaltungschef, Empen als klagender Vertreter der Stadtvertretung.

Der Grund: Die Stadt Husum besetzt im neunköpfigen Aufsichtsrat der Tourismus- und Marketing GmbH fünf Plätze. Bei der 2015 anstehenden Neubesetzung dieser Plätze benannte das Stadtparlament vier Männer und eine Frau aus den drei stärksten Fraktionen CDU, SPD und Wählergemeinschaft für das Gremium. Dagegen intervenierte der Bürgermeister unter Hinweis auf das Gleichstellungsgesetz und holte sich dabei die Rückendeckung der Kommunalaufsicht aus dem Kieler Innenministerium. Das Nein des Verwaltungschefs in dieser Frage führte schließlich zur Klage gegen ihn.

Der Verstoß gegen das Gleichstellungsgesetz wurde quasi sehenden Auges in Kauf genommen, denn zwei Frauen von Bündnis 90/Grüne hatten sich bereit erklärt, für den Aufsichtsrat zur Verfügung zu stehen - nur hätte deren Benennung eben nicht den Stärke-Proporz der Fraktionen widergespiegelt. Darauf komme es aber eben gar nicht an, stellte das Verwaltungsgericht klar. Die juristische Frage, wie exakt zu verfahren ist, wenn nicht genügend Frauen bereit stehen, bleibt zunächst noch einmal unbeantwortet. Gerade wegen solcher Beispiele in der Praxis bezeichnen Kritiker das Gesetz als untauglich. Aber viele Stadtparlamentarier wehren sich auch dagegen, weil sie die vorgeschriebene Quote als einen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung betrachten.

Schleswig-Holsteins Gleichstellungsministerin Kristin Alheit (SPD) begrüßte das Schleswiger Urteil genau wie Britta Rudolph, Gleichstellungsbeauftragte in Husum. Die dortige Stadtverordnetenversammlung muss nun die fünf zu besetzenden Posten des Aufsichtsrats neu wählen - es sei denn, die juristische Auseinandersetzung geht in die nächste Instanz zum Oberverwaltungsgericht. Ob die unterlegene Seite das anstrebt, wollte sie unmittelbar nach der Verhandlung noch nicht sagen.

Die Umsetzung der Frauenquote über das besagte Gleichstellungsgesetz lässt in Schleswig-Holstein aber gleichwohl noch reichlich Spielraum nach oben. In etlichen Kreisen und kreisfreien Städten liegt die Erfüllung der gesetzlichen Vorgabe bei der Besetzung von Aufsichtsräten - beispielsweise bei Energieversorgern oder Krankenhäusern - gerade einmal bei ungefähr 30 Prozent, mancherorts auch weit darunter.

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