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Die Geister, die sie rief

Im Kino: »Personal Shopper« von Olivier Assayas

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit »Die Wolken von Sils Maria« wurde Kristen Stewart zur ersten US-Schauspielerin, die in Frankreich einen César gewann: eine echte Auszeichnung für einen sehenswerten Film, zumal sie sich neben Altstar Juliette Binoche behaupten musste. In »Personal Shopper« arbeitet sie wieder mit dem selben Filmemacher - und diesmal nicht mehr in einer tragenden Nebenrolle, sondern als Titelheldin. Ein zweiter »Sils Maria« ist »Personal Shopper« trotzdem nicht geworden. Interessanter als die vereinzelten Buhrufer bei seiner Premiere in Cannes ihn machen wollten, ist er aber allemal. Und für Stewart ein weiterer Riesenschritt von ihren Teenie-Film-Anfängen hin zur seriösen Schauspielkunst.

Olivier Assayas, der Filmemacher (und Drehbuchautor seines Films) lässt Stewart erneut in die Rolle der bezahlten Dienstleisterin für eine kapriziöse Diva schlüpfen: In »Sils Maria« war sie die persönliche Assistentin und rechte Hand eines Schauspielstars, der von Binoche mit einem eindrucksvollen Mix aus Einsicht, Instinkt, Unsicherheit und Rücksichtslosigkeit gespielt wurde. Ein Mix, dem Stewart eine Frau mit eigenen Ambitionen und Fähigkeiten entgegensetzte, ein Organisationstalent dazu, mit kühlem Verständnis (und möglicherweise tieferen Gefühlen) für ihre Arbeitgeberin, der es irgendwann zu viel wird mit den Diven-Launen, die Beruf, Temperament, Celebrity-Status und der Druck eines sehr öffentlichen Alterns mit sich bringen.

In »Personal Shopper« steht ihre Maureen Cartwright weiter unten in der Hierarchie der abhängigen Dienstleister um die Prominente Kyra (Nora von Waldstätten), ist dafür aber deutlich häufiger im Bild. »Personal Shopper« ist Stewarts Film - während gleichzeitig ihrer Figur, einer jungen Amerikanerin in Paris, das eigene Leben zusehends entgleitet. Es ist eine Bravourleistung, die Stewart ablegt, auch wenn man vielleicht einwenden könnte, dass der Film für sie geschrieben und sie darin beinahe allzu typisch besetzt ist.

Ihre Maureen hat einen persönlichen Verlust zu verarbeiten, der eng mit ihrer eigenen Lebenserwartung und Lebenseinstellung verknüpft ist: Ihr Zwillingsbruder verstarb vor kurzem, eben siebenundzwanzigjährig, an genau dem angeborenen Herzklappenfehler, der auch sie selbst jederzeit dahinraffen könnte. Weil der Bruder sich als Medium sah und Schwesterchen ihm alles nachmachte, und weil es einen Pakt gab zwischen den beiden, dass derjenige von ihnen, den der Geburtsfehler zuerst dahinrafft, dem anderen ein Zeichen aus dem Jenseits schicken werde, wartet sie nun auf eben jenes Zeichen.

Ihr titelgebender Brot-Job ist demgegenüber nicht mehr als das: ein überdurchschnittlich gut bezahlter, unerwartet unpersönlicher, unterdurchschnittlich interessanter temporärer Job. Einkaufen geht sie für ihren Star, holt Kleider ran und Schmuck für die nächste Gala, die nächste Fashion Show, den nächsten öffentlichen Auftritt einer aus nicht viel mehr als öffentlichen Auftritten bestehenden Zimtzicke. Für diese Kyra (und ihr Geld) reist Maureen zwischen London und Paris hin- und her, bringt teure Dinge in teuren Papiertüten und Kleidersäcken in die Pariser Wohnung des Starlets und geht dann ihrer Wege. Eine anonyme Wandlerin zwischen den Ländern und Welten, dem oberflächlichen Glanz der Designer-Boutiquen und Juweliere, der kleinen Butze, die sie selbst bewohnt, und der leerstehenden Villa außerhalb der Stadt, in der Bruder und Freundin ihrem edlen Tischlerhandwerk nachgingen.

Lars Eidinger, der schon in »Sils Maria« den Katalysator spielte, tritt auch hier in einer wesentlichen Nebenrolle auf - allerdings hat man allmählich den Eindruck, er sollte besser aufpassen, dass er sich nicht dauerhaft auf das Charakterfach des aalglatten manipulativen Miststücks festlegen lässt. Als Thriller-Elemente zum Trauer-Trauma und dem gepflegten Ennui von Maureens Brotjobs treten, wird zumindest ein deutsches Publikum nicht allzu lange raten müssen, wer denn wohl der große Unbekannte ist, der zeitweise die Fäden zieht. Und dann, mit der gezückten Waffe in der Hand, einen doch eher kläglichen Abgang hat.

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