Bedrohung an der Tagesordnung

Seit drei Jahren steht der LINKEN-Abgeordnete Hakan Tas unter Polizeischutz

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 3 Min.

Auf rechten Internetseiten ist Hakan Taş, der innenpolitische Sprecher der Berliner LINKEN, nicht mehr so oft unterwegs wie vor Jahren. Denn dort könnte er lesen, wie er selbst beschimpft wird. »Schwuler Türke hat wohl Sehnsucht nach Islamisten«, »Nazi-Türke verpiss dich«, sind ein paar aktuelle Beispiele, die man auf einschlägigen Seiten über den 50-jährigen kurdischstämmigen Politiker findet. Doch Taş wird von Rechten längst nicht mehr nur anonym auf Naziseiten angegriffen. Die Attacken gegen ihn sind so real, dass er seit über drei Jahren unter Polizeischutz steht. »Die Polizei bestreift regelmäßig meine Wohnung«, sagt Taş dem »nd«. Die Beamten klingeln auch bei ihm, wenn ihnen etwas ungewöhnlich vorkommt.

Im Herbst 2013 hatten Rechte seine Wohnungstür und seinen Briefkasten mit SS-Runen und dem Spruch »Ausländer raus! Bald bist Du tot« beschmiert. Vier Wochen später wurden seine Autoreifen zerstochen. Ein paar Monate später wurden sie erneut zerstochen. Im vergangenen Jahr wurde sein Wahlkreisbüro in Reinickendorf mit islamfeindlichen Parolen beschmiert. In keinem der Fälle konnte die Polizei einen Tatverdächtigen ermitteln. Mehrere Verfahren wurden sogar eingestellt.

Sogar als er einen Tatverdächtigen selbst identifizierte, kam es nicht zu einer Verurteilung: 2016 hatte nach Angaben von Hakan Taş der stadtbekannte Rechte Kevin W. am Rande einer Demonstration seinen Ellenbogen in Taş’ Bauch gestoßen und ihn dabei bedroht. »Das Strafverfahren wurde eingestellt, weil auf der Überwachungskamera der Vorgang nicht deutlich genug zu erkennen war«, so der LINKEN-Politiker. Es ist bitter für ihn, dass die Attacken keine strafrechtlichen Folgen haben. »Ich bekomme jeden Monat mehrere Mails von anonymen und auch von nicht anonymen Absendern mit üblen Beschimpfungen.« Er habe es inzwischen aufgegeben, Strafanzeigen zu stellen.

Ende November fühlte sich Taş sogar im Parlament bedroht. Er hielt eine Rede, in der er die Affinität der AfD zu rechter Gewalt thematisierte. »Mehrere Abgeordnete waren von ihren Plätzen aufgesprungen, brüllten laut und fuchtelten wie wild mit ihren Armen. Ich dachte, sie gehen jeden Moment körperlich auf mich los«, berichtet er. Das blieb aus. Kurz davor bescheinigte der umstrittene AfD-Abgeordnete Andreas Wild Taş, er bewege sich »auf demselben schändlichen Niveau wie einst die Nazionalsozialisten [sic!]« und empfahl ihm als »Zuwanderer« einen Integrationskurs.

Der Politiker wird auch von nationalistischen türkischstämmigen Kräften bedroht und attackiert. Anlass dazu geben neben seiner kurdischen Herkunft und seiner offenen Homosexualität auch seine politischen Positionen: Taş kritisiert offen den türkischen Präsidenten Recep Erdoğan, solidarisiert sich mit der linken türkischen Oppositionspartei HDP, kritisiert islamistische Hassprediger in Berlin und die Einmischungen des türkischen Staates in Angelegenheiten von Berliner Moscheevorständen. Das habe dann Beschimpfungen in sozialen Medien zur Folge, wie etwa »Schwule Sau«, »Hurensohn«, »PKK-Terrorist«, so Taş. »Es hat auch schon jemand geschrieben, solche Leute wie mich müsse man aufhängen und töten«, berichtet er. »Von meiner politischen Tätigkeit bringen mich weder die Attacken von deutschen noch von türkischen Rechten ab. Aber ich werde vorsichtiger, wenn ich auf der Straße laufe.«

Ähnliche Erfahrungen hat auch der türkischstämmige Berliner Bundestagsabgeordnete Özcan Mutlu (Grüne) öffentlich gemacht. Seine grüne Kollegin Canan Bayram aus dem Abgeordnetenhaus sagt, sie bekomme zwar auch Mails und Facebook-Einträge mit Beschimpfungen unter der Gürtellinie. »Aber so hart wie bei Hakan Taş ist es nicht. Bei einem migrantischen Mann, der offen schwul lebt, ist man da vielleicht noch enthemmter als gegenüber mir als Frau.«

LINKEN-Landeschefin Katina Schubert verurteilt die Angriffe auf ihren Kollegen Hakan Taş »auf das Heftigste. Politische Auseinandersetzungen soll man kultiviert austragen. Aber leider ist auch das Klima im Parlament in dieser Legislatur so aggressiv, wie seit den 90er Jahren nicht mehr.« Und sie ergänzt: »Ich bin froh, dass Hakan Taş sich von den Attacken der unterschiedlichen Kreise nicht einschüchtern lässt.«

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