Hängepartie um Griechenland

Gläubiger und Regierung in Athen uneins, wie es mit dem Kreditprogramm weitergehen soll

  • Carolin Philipp, Athen
  • Lesedauer: 3 Min.

Die große Frage beim Eurogruppentreffen am Donnerstagabend in Brüssel war: Kehren die internationalen Geldgeber im Februar nach Athen zurück, um die eigentlich schon für vergangenes Jahr angesetzte zweite Überprüfung der sogenannten Reformmaßnahmen fortzuführen? Die Verhandlungen mit der griechischen Regierung waren im Dezember gestoppt worden, nachdem Premierminister Alexis Tsipras (SYRIZA) mehr Geld für Sozialausgaben angekündigt hatte. Das gefiel den europäischen Institutionen nicht und sie brachen die Verhandlungen ab.

Angesichts des Superwahljahres 2017 wird jedoch ein Erstarken von anti-europäischen Parteien in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland befürchtet, wie auch EU-Währungskommissar Pierre Moscovici vor dem Treffen der Finanzminister der EU-Staaten mit dem Euro anführte. Auch im Angesicht des Brexit solle so schnell wie möglich das »griechische Problem« gelöst und Europa als stabile Einheit präsentiert werden.

EU-Minister wollen nicht nur sparen

Brüssel. Die EU-Finanzminister haben angesichts der wirtschaftlichen Ungleichgewichte in Europa eine strikte Einhaltung der Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts angemahnt. Für die Zukunft der Währungsunion sei dies von zentraler Bedeutung, hieß es in einer Schlussfolgerung der 28 Minister nach einem Treffen am Freitag in Brüssel – ihr Rat tagt üblicherweise einen Tag nach der Eurogruppe der Staaten mit der Gemeinschaftswährung.

Damit wurde vorerst ein Schlussstrich unter einen Streit gezogen, der vor allem zwischen der EU-Kommission und Deutschland schwelte.
Die Brüsseler Behörde hatte Ende des vergangenen Jahres angeregt, dass Staaten, die in ihren Haushaltsentwürfen Spielraum haben – wie etwa Deutschland oder die Niederlande – bis zu 0,5 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für zusätzliche Investitionen nutzen. Vor allem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte dies scharf kritisiert. In der nun vereinbarten Stellungnahme ist lediglich allgemeiner die Rede davon, dass ein ausgewogener Politik-»Mix« von Investitions- und Sparmaßnahmen in den einzelnen EU-Staaten nötig sei. dpa/nd

Im Vorfeld des Eurogruppentreffens hatte Tsipras wiederholt verkündet, keine neuen Austeritätsmaßnahmen zu akzeptieren. Sein Finanzminister Euklid Tsakalotos kam mit einem Vorschlag im Gepäck, den er schon in der vergangenen Woche an die Geldgeber geschickt hatte. Er bezieht sich auf den angestrebten Primärüberschuss (Haushaltsüberschuss ohne Zinslast) und weicht von den Forderungen der Gläubiger ab. Tsakalotos schlägt 3,5 prozent Primärüberschuss nur in den kommenden fünf Jahren vor, um diesen dann schrittweise zu reduzieren. Ein Haushaltskorrekturmechanismus solle nur dann eingesetzt werden, wenn der Überschuss nicht erreicht wird. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sowie der Internationale Währungsfonds (IWF) forderten hingegen, präventiv strikte Maßnahmen zu erlassen.

Aufbauend auf den positiven Haushaltsdaten, die auch von Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem gelobt wurden, erteilte Tsakalotos dieser Forderung jedoch eine Abfuhr: »Es kann von einem Land nicht verlangt werden, Gesetze zu erlassen, was nach dem Ende des laufenden Programms mit einem Umfang von bis zu 86 Milliarden Euro im Jahr 2019 und darüber hinaus zu tun sei. Das steht nicht im Einklang mit europäischen und demokratischen Werten.« Denn es binde auch künftige Regierungen an die Abmachungen. Unterstützung erhielt der griechische Finanzminister von seinem französischen Kollegen Michel Sapin.

Während sich Schäuble kritisch zum Fortschritt der griechischen Reformen äußerte, gaben sich Moscovici und Dijsselbloem betont optimistisch. Aber auch letzterer ließ nach dem Treffen am Donnerstag verlauten, es sei unklar, wann die Überprüfung in Athen fortgeführt werden könne. Gerade ob und welche neuen Maßnahmen nötig seien, steht laut dem Eurogruppenchef im Zentrum der Debatte.

Wenn sie von »Reformen« sprechen, dann geht es den Geldgebern derzeit hauptsächlich um Deregulierungen der Arbeitsgesetzgebung, die Senkung des Steuerfreibetrags und der Renten, aber auch um Liberalisierungen im Energiesektor und in anderen Sparten. Die EU-Institutionen betonten, dass diese Reformen noch vertieft werden müssten.

Auch ob es, wie vom IWF gefordert, einen Schuldenerlass geben wird, ist weiterhin ungeklärt. Diese Frage wurde von EU-Kommissar Mos-covici auf das Ende des Programms im Jahr 2018 verschoben. Im Bezug auf die Einbindung des IWF gab ebenfalls es keine Neuerungen. Die UN-Finanzinstitution macht ihre weitere Beteiligung davon abhängig, ob eine Entschuldung Griechenlands stattfindet. Am 6. Februar will der IWF-Vorstand über seine Einbindung in das Programm beraten.

Die deutsche Europaabgeordnete Gabi Zimmer (LINKE) bekräftigte die Wichtigkeit eines positiven Ausgangs der Eurogruppensitzung. Sie kritisierte aber, dass die Gläubiger immer mehr Sparmaßnahmen und Opfer vom griechischen Volk verlangten.

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