Die Mutter-Kind-Zellen sind noch frei

Das Frauengefängnis in Pankow wird wieder belegt - zumindest teilweise / Noch fehlt weiterhin Personal

  • Ellen Wesemüller
  • Lesedauer: 3 Min.

Er ist wieder offen - der geschlossene Vollzug für Frauen in Pankow. Am Montag führt der neue Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) durch die Zellen der seit zwei Wochen wieder belegten Justizvollzugsanstalt (JVA).

Damit nimmt der vierte Standort des Berliner Frauengefängnisses nach eineinhalb Jahren seinen Betrieb wieder auf. Im Mai 2015 hatte ihn der damalige Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) vorübergehend geschlossen, da Personal knapp wurde. Das ist zwar immer noch so - aber der Standort Lichtenberg, an den die Inhaftierten verlegt worden waren, platzte aus allen Nähten: »Es ist voll gewesen in Lichtenberg«, sagt Behrendt.

Gedacht ist das Gefängnis in Pankow für 60 Frauen und 27 Beschäftigte, zur Zeit sind jedoch erst 30 Zellen belegt. Dass nicht mehr Frauen einziehen können, liegt daran, dass ihnen immer noch zu wenig Justizvollzugsbeamte gegenüberstehen: ausgeschriebene Stellen blieben unbesetzt, so Behrendt. Grund sei, dass das Land lange nicht ausgebildet habe, viele Beschäftigte derzeit in Rente gingen und andere Bundesländer, so auch Brandenburg, besser bezahlten. Und es wird noch schlimmer. Behrendt sagt: »Da haben wir das tiefe Tal noch nicht erreicht.« Er rechne damit, dass im laufenden Jahr der niedrigste Personalstand erreicht werde, dann komme der sukzessive Aufbau. Dass nun trotzdem wieder eröffnet wird, sei »geschickter Personaldisposition« zu verdanken, sagt er. Und gibt zu: »Man zieht das Personal an anderer Stelle wieder ab.«

Während der Schließzeit habe man eine Million Euro in die Sicherheitstechnik der JVA investiert: in Alarmanlagen, Notlichter und den Brandschutz. Auch eine barrierefreie Zelle wurde gebaut. Saniert wurde hingegen nicht - die Gänge, Zellen und Gemeinschaftsräume bieten dann auch ein tristes Bild. Die Wände sind staubig, die Wandfarbe alt, eins der drei Spielzimmer für Kinder ist duster. »Wir überlegen, hier mit einem Malerkommando durchzugehen«, sagt Anstaltsleiterin Daniela Leschhorn. Eine Tischlerei fertige zur Zeit neue Stühle und Tische.

Eine Besonderheit Berlins, die auch an diesem Standort umgesetzt wurde: Die Häftlinge können aus jeder Zelle telefonieren. »Das ist ideal zur Suizidprävention«, sagt Andreas Kratz, Leiter der vier Teilanstalten. Besonders wichtig sei dies in der Untersuchungshaft in der JVA Moabit. Dort, wo Menschen plötzlich aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen werden, sei die Zahl der Selbstmorde besonders hoch. Die Telefone habe auch das Anti-Folter-Komitee der EU »sehr positiv vermerkt«.

Vor wenigen Wochen war bekannt geworden, dass die Zahl der Selbstmorde in den Berliner Gefängnissen gestiegen ist. 2016 wurden sieben Suizide registriert, 2015 waren es nur zwei gewesen, sagte Behrendt vor zwei Wochen im Abgeordnetenhaus. Allein vier Gefangene hatten sich in der JVA Moabit umgebracht.

Eine Besonderheit am Standort Pankow: zwei Mutter-Kind-Zellen, in denen Inhaftierte mit ihren Neugeborenen leben können. Vor der Schließung waren es mehr, Anstaltsleiterin Leschhorn sagt: »Wir haben uns hier verkleinert.« Behrendt findet diesen Bereich »nicht unproblematisch«, die Haftunterbringung mit Kind sei die »Ultima Ratio«, komme »relativ selten« vor. Leschhorn erzählt jedoch von zwei Schwangeren in Untersuchungshaft, bei denen sie davon ausgeht, dass sie diese Zellen bald belegen werden.

Insgesamt gibt es in Berlin rund 200 inhaftierte Frauen, davon 120 im geschlossenen Vollzug. Demgegenüber stehen 4000 inhaftierte Männer. Diese Relation ist laut Behrendt »weltweit so«.

Behrendt, auch Antidiskriminierungssenator, will zudem Fragen der Transgeschlechtlichkeit angehen. In den vergangen zehn Jahren habe es zwar nur zwei solcher Fälle gegeben. Aber er ist sich sicher: »Wir werden in Zukunft häufiger mit dem Phänomen zu tun haben, insbesondere in Berlin.«

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